02 - Der 'Mann in Weiß'
niemals gebadet.«
Tom fröstelte. Also hatte das Flintenweib nicht übertrieben: Cordova ging über Leichen und hatte beste Beziehungen zur Obrigkeit.
»Auf jeden Fall ist die ganze Sache im Sand verlaufen«, fuhr Antonio Carlos fort. »Es spricht auch nichts dafür, dass Cordova daraus gelernt hat. Vor allem Maya-Artefakte scheinen es ihm angetan zu haben, und seine Freunde von der Polizei sehen zu, dass er seine Geschäfte ungestört abwickeln kann. Hauptsache, es fallen ein paar Pesos für sie ab. Eine Hand wäscht eben die andere.«
Tom winkte dem Kellner. »Ich danke dir, mein Freund, du hast mir weitergeholfen. Was meinst du ‒ heben wir noch einen?«
***
13. Juli 1985, Playa del Carmen
Béjar Gaitan hätte vor lauter Nervosität am liebsten seine Fingernägel angeknabbert. Nun würde sich zeigen, ob er dem Geschäft gewachsen war. Der Mexikaner saß in einer Strandbar und starrte auf das blaue Meer hinaus. Direkt vor ihm spielten junge Männer Beachvolleyball und lachten unbeschwert dabei. Tausende Touristen bevölkerten den Strand, alles wirkte ruhig und friedlich.
Vielleicht kann ich mir auch bald einen teuren Urlaub leisten…
Gaitan wartete auf einen Mann namens Cenobio Cordova. Der Kerl war ziemlich schmierig und arbeitete hier in Playa im Fremdenführergewerbe. Vordergründig. Gaitan hatte Cordova vor gut einem Jahr in seinem Flugzeug kennengelernt, als der seinerzeit den großen Rundflug gebucht hatte, alle wichtigen Maya-Ruinen inklusive.
»Das Kunsthandwerk der Maya war wirklich einzigartig«, hatte Cordova zu schwafeln begonnen. »Sagen Sie, Gaitan, Sie kommen doch mit vielen Leuten zusammen. Kennen Sie da nicht den einen oder anderen, der solche Gegenstände besitzt und verkaufen will? Ich wäre ein dankbarer Abnehmer. Für mich selbst… und einige einflussreiche Freunde, die genauso passionierte Sammler sind wie ich. Mit schöner Kunst lässt sich eine Menge Geld verdienen. Es soll Ihr Schaden nicht sein…«
Cordova hatte Gaitan seine Karte dagelassen und der Pilot hatte sie aufgehoben. Als er Cordova nun vor zwei Tagen angerufen und ihm »außergewöhnliche Kunst aus einer neu entdeckten Pyramide« angeboten hatte, war der Kerl sofort darauf angesprungen. Gaitan hatte sich ganz bewusst für Cordova entschieden, denn er durfte sich mit keinem Hehler einlassen, der mit der Bande von Garciamendez Geschäfte machte. Er wäre umgehend aufgeflogen.
Plötzlich stand Cordova hinter ihm. Im schreiend bunten Hawaii-Hemd, mit dicker Havanna zwischen den Lippen.
Nach der Begrüßung setzte sich der Kunsthändler erwartungsfroh zu ihm, doch als er die Fotos sah, die Gaitan ihm vorlegte, verzog er geringschätzig das Gesicht. »Was soll das sein?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht, aber es stammt aus einer Maya-Ruine. Ich dachte, dass Sie mir sagen könnten, was es darstellt.«
»Keine Ahnung. Und ich muss sagen, ich bin etwas enttäuscht. Ich hatte mir mehr erhofft. Stelen, Figuren, etwas in der Art, verstehen Sie?«
Niedergeschlagenheit machte sich in Gaitan breit. Aber so schnell wollte er nicht aufgeben. »Ich bin ein schlechter Fotograf, Señor Cordova. Wenn Sie das Ding in echt sehen, werden Sie begeistert sein.«
Cordova erklärte sich großzügig zu diesem »letzten Versuch« bereit, wie er es ausdrückte. Béjar Gaitan kutschierte ihn zum Flugzeughangar, wo er den gefundenen Gegenstand in seiner Maschine aufbewahrte. Einen besseren Platz hatte er nicht gefunden.
Als Cenobio Cordova das Artefakt mit eigenen Augen sah, wurde er plötzlich ganz bleich. Er konnte seine Aufregung nur schwer verbergen. »Was… was bei der heiligen Muttergottes ist das denn? Das ist ja fantastisch! Unglaublich! Ist das eine optische Täuschung?«
Gaitan zuckte die Schultern. »Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Also gut, ich nehme es. Was wollen Sie dafür haben?«
Der Pilot wagte es erst gar nicht auszusprechen. »Zwanzigtausend Pesos«, brachte er schließlich hervor.
»Sind Sie verrückt, Gaitan?« Cordova grinste breit. »Sie sind wohl noch ein absoluter Anfänger, was?«
Gaitan schlug die Augen nieder. »Entschuldigen Sie, Señor, wenn ich zu gierig erscheine, aber…«
Cordovas Lachen unterbrach ihn.
Der Kunsthändler hieb ihm kollegial eine Hand auf die Schulter. »So meinte ich es nicht!«, tönte er. »Ich gebe Ihnen Fünfzigtausend , und dafür versprechen Sie mir, dass wir unsere neue Geschäftsverbindung künftig hegen und pflegen. Ich will schließlich nicht, dass Sie über den Tisch
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