02 - Der 'Mann in Weiß'
Forscherfieber, das ihn seit jeher rastlos über die Erde trieb, auf der Suche nach deren zahllosen Geheimnissen, hatte ihn nun endgültig wieder erfasst.
Doch bevor er sich auf den Weg machte, würde er noch einmal einer Spur vor Ort nachgehen: der von Cenobio Cordova, mit dem Branson in letzter Zeit immer wieder gesehen worden war. Tom wusste das von einem befreundeten Kellner, der im »Pancho's« arbeitete, einer Bar im Zentrum der Stadt.
Antonio Carlos hatte ihm sogar Cordovas Adresse herausgesucht. Der Fremdenführer und zwielichtige Kunsthändler wohnte im Nordwesten Méridas, aber Tom hatte nur ein leeres Haus vorgefunden. Auf dem Rückweg war er dann den Straßenräubern in die Hände gefallen.
Das sollte ihm nicht noch einmal passieren.
Tom brach auf und stürzte sich in das Getümmel der Siebenhunderttausend-Einwohner-Metropole. Es war später Nachmittag und die Stadt bereitete sich bereits auf das Nachtleben vor, das noch weitaus bunter und schriller als das am Tag war. Die unvermeidlichen Anreißer standen an den Straßen und wollten Tom Prospekte und verbilligte Eintrittskarten für alle möglichen Nachtclubs, Travestieshows und Ähnliches andrehen. Eine feurige Mexikanerin forderte ihn mit verheißungsvollem Flüstern zum Bordellbesuch auf.
Tom war über diese kleinen Belästigungen nicht böse. Sie gehörten hier einfach dazu. Er genoss vielmehr den atemberaubenden Pulsschlag dieser quirligen, bunten Gesellschaft mit ihrer zum Teil überbordenden Herzlichkeit. Bei immer noch hohen Temperaturen flanierte er im Schatten von Palmen an den wunderschönen alten Kolonialhäusern vorbei, die so bunt wie Bonbons waren und einen reizvollen Mix mit den in allen möglichen Stilen errichteten Gebäuden bildeten. Auf den Gehsteigen reihten sich die Touristenstände kilometerweit aneinander, Straßenmusikanten spielten bevorzugt »La Cucaracha«, vor den Bars saßen Einheimische und Touristen gleichermaßen im Freien und genossen ihren Maya-Kaffee.
Da Tom Hunger verspürte, beschloss er spontan, noch auf einen Kaffee und einen Pincho im »Pancho's« vorbeizuschauen und ein paar Worte mit Antonio zu wechseln. Der war dort so gut wie immer zu finden; die Bar war sein Broterwerb und seine Leidenschaft gleichermaßen.
Tatsächlich machte er Antonio rasch inmitten der Gäste aus. Tom zwängte sich durch die eng stehenden Tischreihen und tippte dem Freund auf die Schulter.
Antonio drehte sich um und sein kantiges, faltiges Gesicht mit dem schwarzen Schnauzbart verzog sich vor Freude.
»Tom Ericson! Erst lässt du dich monatelang gar nicht blicken, und nun schon den zweiten Tag hintereinander. Hat dich mein legendärer Maya-Kaffee hergelockt?«
»Was sonst?« Tom grinste. »Und über zwei, drei Rindfleischspieße wäre ich auch ganz froh.«
Antonio grinste zurück. »Ah, Pinchos bei Pancho's, das ist eine ausnehmend gute Idee. Setz dich dort in die Ecke, unter die Palme beim Schaufenster. Ich komme gleich zu dir.«
Tom setzte sich und machte sich wenig später über seine Fleischspieße und den Maya-Kaffee her. Antonio gesellte sich zu ihm.
»Hast du mir diesen Platz hier angeboten, weil ich öfter mal der Gefahr ins Auge sehe?«, fragte Tom kauend und deutete mit einer Kopfbewegung auf die vier Einschusslöcher im Glas hinter sich. In einem steckte noch die Pistolenkugel, die anderen bildeten »Spinnenetze« im Glas. Durchgegangen war keine der Kugeln.
»Wo denkst du hin, mein Gringo-Freund?« Antonio tat empört. »Ich bin ein friedliebender Mensch. Das war eine kleine Schießerei unter Drogenschmugglern. Kommt hier alle Tage vor, nichts wirklich Aufregendes also. Aber sag, hast du bei diesem Cordova etwas erreicht?«
»Er war leider nicht da. Ich bin gerade wieder auf dem Weg zu ihm. Von einem Nachbarn habe ich immerhin erfahren, dass Cordova im Tourismusgeschäft und im Kunsthandel tätig sein muss.«
Antonio zuckte die Schultern. »Das erklärt, warum er so selten daheim ist. Was meinst du ‒ soll ich die Ohren und Augen nach ihm offen halten?«
Tom lachte. »Es sind wohl kaum deine eigenen Ohren und Augen, alter Freund. Aber wenn einer der Anreißer etwas herausfindet, soll's mir nur recht sein.« Natürlich war auch für das »Pancho's« ein Heer von schlecht bezahlten Werbern unterwegs, um Gäste für das Lokal zu finden. Tom zog zwei Zweihundert-Peso-Scheine hervor; umgerechnet dreiunddreißig US-Dollar. »Als kleinen Anreiz…«
Antonio tat entrüstet ‒ »Wie kannst du nur glauben, ich täte
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