Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
etwa?«
    »Oh,
nein, keineswegs«, machte Mr. Nevill mit wissendem Blick. »Aber nimm dich in
acht. Ich habe es bei den hartgesottensten Junggesellen erlebt. Außerdem war
ich der Meinung, dass es deine Absicht war, in dieser Saison eine Frau zu
finden.«
    Lord
Tregarthan streckte sich und gähnte. »Erstens einmal habe ich meine Meinung
geändert«, sagte er schläfrig. »Und zweitens kann ich dir versichern, dass ich
die Londoner Saison zum ersten Mal in meinem Leben furchtbar langweilig finde.«
    »Trotz
Jane Hart?«
    »Trotz
Jane Hart.«
    Jane
tanzte weiter und hoffte wider alle Vernunft, dass Lord Tregarthan noch einmal
zu ihr herüberkommen würde. Es gab so viel, was sie ihn fragen wollte. Er hatte
ihr nicht einmal gesagt, warum er mit ihrem Vater hatte sprechen wollen.

    Rainbird und Felice
verbrachten einen herrlichen Abend im Theater. Sie waren ins Covent Garden-Theater
gegangen, um Mrs. Jordan in dem Stück »Das Mädchen vom Land« zu sehen. Obwohl
die Aufführung vor den gestrengen Augen der Kritiker nicht bestanden hatte,
konnte Mrs. Jordan ihr Publikum immer noch hinreißen, und so gab es auch wenig
Zwischenfälle während der Aufführung, abgesehen von einem draufgängerischen
jungen Lebemann vornehmer Abkunft, der aus seiner Loge kletterte und auf den
Händen quer über die Bühne lief. Die Zuschauer mussten ihn mit Orangen
bombardieren, um ihn zu vertreiben.
    Für
Rainbird genügte es, mit Felice zusammenzusein. Sie faszinierte ihn. Er fragte
sich, was hinter ihrem Mona Lisa-Lächeln vorging.
    Nach
der Vorstellung gingen sie noch in ein Wirtshaus und aßen Hammelpastete und
tranken Bier dazu. Erst als sie durch die Straßen nach Hause gingen, wurde sich
Rainbird mit sonderbarer Beklemmung bewußt, dass er zwar ausführlich von sich
und seinem Leben erzählt hatte, aber sehr wenig über Felice erfahren hatte. Sie
war von einem zarten Parfümduft umgeben, und ihr Seidenkleid raschelte beim
Gehen. Er sehnte sich danach, ihr einen Kuss zu stehlen, und dieser Wunsch
wurde immer heftiger, je mehr sie sich der Clarges Street näherten. Er hoffte, dass
die anderen noch nicht zu Hause waren, damit er Gelegenheit hatte, noch länger
mit Felice zusammenzusein.
    Sie
gingen auf das Haus zu, als sie Mr. Hart allein heimkommen sahen. Er erspähte
sie mit seinen scharfen Seemannsaugen,
    denn
die Straßen waren immer noch sehr dunkel, obwohl die Stadtverwaltung neue
Strahler in die Laternen hatte einbauen lassen. Er nickte Rainbird zu und sagte
dann: »Felice - ich muss mit Ihnen reden. Folgen Sie mir bitte.«
    Felice
wirkte einen Augenblick lang überrascht, ging aber gehorsam hinter Mr. Hart ins
Haus hinein. Rainbird folgte ihr dicht auf den Fersen und hoffte, dass Mr. Hart
Wein kommen ließ, damit er die Möglichkeit hätte, herauszufinden, warum der
gewöhnlich so zurückhaltende und stille Captain wünschte, privat mit der
Kammerzofe seiner Frau zu sprechen. Aber Mr. Hart bat Felice in den vorderen
Salon und machte Rainbird die Tür vor der Nase zu.
    Rainbird
ging traurig in die Wirtschaftsräume hinunter. Noch bevor er unten war, umfing
ihn jedoch erneut der Zauber des Abends, den er in Felice' Gesellschaft verbracht
hatte.
    Lizzie
saß allein am Eßtisch; in ihren Augen lag ein träumerischer Ausdruck.
    Rainbird
fand, dass sie sehr fein aussah. Sie trug eines der bedruckten Kattunkleider,
die im Jahr zuvor, als sie Geld hatten, für sie angefertigt worden waren. Es
sah heute geradezu modisch aus, und ihr weiches braunes Haar war raffiniert
aufgesteckt. »Du siehst wie eine Dame aus«, grinste Rainbird.
    »Das
war Felice«, sagte Lizzie. »Ich habe immer Angst vor ihr gehabt, weil sie doch
eine Französin ist, und überhaupt. Aber sie ist gleich zu mir gekommen, nachdem
die Damen gegangen waren. Vorher hatte sie mein Kleid schon mitgenommen, um
>es ein bisschen zu ändern<, hat sie gesagt. Es passt mir jetzt
sehr gut, und sie wollte mich unbedingt frisieren. Sie war ja so nett.« Lizzie
errötete. »Sogar Joseph hat gesagt, er habe mich beinahe nicht erkannt.«
    »Wo ist
Joseph?«
    »Ins
Bett gegangen, Mr. Rainbird. Aber wir hatten so einen   wunderbaren Abend. Oh,
die Pferde und die Vorführungen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so
etwas gesehen.« Sie schaute mit leuchtenden Augen auf und sah das Spiegelbild
ihrer eigenen Gefühle in den Augen des Butlers.  »Sind Sie auch verliebt, Mr.
Rainbird?« fragte sie.
    »Nein«,
erwiderte Rainbird scharf, und Angst ergriff ihn, Angst um Lizzie und Angst

Weitere Kostenlose Bücher