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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Keiner.«
    Mrs.
Hart unterhielt sich gerade eifrig mit der Dame neben ihr, als sich Jane an
ihre andere Seite setzte.
    Sie
wagte nicht aufzuschauen und hielt die Augen auf die Spitzen ihrer Seidenschuhe
gerichtet. Sie hatte sich furchtbar daneben benommen, und sie wußte es. Sie
konnte nur dankbar sein, dass ihre Mutter sie nicht beobachtet hatte. Eine
junge Dame, die im Ballsaal einen Mann ansprach, ganz gleich, wie gut sie ihn
kannte, beging einen unverzeihlichen Fauxpas. Sie fühlte die Schande in sich
brennen.
    Dann
sah sie ein Paar elegante schwarze Tanzschuhe vor sich. Ihre Augen wanderten
langsam über Seidenstrümpfe, Kniehosen, Weste und Halsbinde nach oben bis zu
einem dunklen, hübschen Gesicht, das auf sie herablächelte.
    Der
Gentleman wandte sich halb an ihre Mutter und sagte: »Ich habe Lady Quesne
gesucht, um sie zu bitten, mich vorzustellen, aber sie ist nirgends zu finden.
Mein Name ist Eprey. James Eprey. Darf ich um einen Tanz mit dieser schönen
jungen Dame bitten?«
    Mrs.
Hart ließ ihre Blicke überrascht von ihm zu Jane wandern. Dann schaute sie sich
vorsichtig um, als ob sie erwartete, jemand anderen zu sehen.
    »Sicher«,
sagte sie schließlich. »Meine Tochter Jane.«
    Jane
stand auf, machte einen Knicks und nahm all ihren Mut zusammen.
    jetzt
erinnerte sie sich plötzlich wieder an die Unterweisungen, die ihr Felice
mitgegeben hatte, und sie tanzte mit ihrem neuen Partner einen anmutigen
schottischen Reel und promenierte mit ihm, als der Tanz vorbei war, um die
Tanzfläche; dabei hörte sie ihm mit einschmeichelnder Aufmerksamkeit zu. Er erzählte, dass
er erst kürzlich in die Hauptstadt gekommen sei und dass es ihm sehr gut
gefalle. Er sprach von den Theaterstücken, die er gesehen hatte, und von den
Einladungen und Gesellschaften, an denen er teilgenommen hatte.
    Als der
nächste Tanz angekündigt wurde, machte Jane wieder einen Knicks und wollte zu
ihrem Platz zurückgehen. Aber plötzlich war sie von einem kleinen Kreis von
Verehrern umgeben, die sie um den Tanz baten.
    Nicht dass
Jane plötzlich zu einer aufregenden Schönheit geworden wäre. Aber ihr Kleid war
modisch und hübsch, ihre Manieren reizend und bescheiden - die Herren
hatten offenbar ihr gesellschaftliches Techtelmechtel mit der Countess Lieven
nicht bemerkt -, und sie sah nett aus und sprühte vor Leben.
    Als
Jane später feststellte, dass es Lord Tregarthan gelungen war, sich einen Tanz
mit ihr zu sichern, hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen. »Würde es Ihnen
etwas ausmachen, wenn wir nicht tanzten?« fragte sie. »Ich bin schrecklich
durstig, und außerdem muss ich mich bei Ihnen entschuldigen.«
    »Ah,
ja«, sagte er und führte sie in den Speisesaal. »Ich weiß, warum Sie sich
entschuldigen wollen, aber so furchtbar schlimm war das auch wieder nicht. Es
ist nun mal so, dass es sich für junge Damen nicht schickt, die Aufmerksamkeit
von Herren auf sich zu ziehen, es sei denn, sie besitzen ein großes Vermögen
oder gehören der Halbwelt an.«
    »Jetzt
wird Euphemia keine Eintrittskarten für den Ball im Almack bekommen«, sagte
Jane unglücklich.
    »Ich
glaube, sie hätte sie sowieso nicht bekommen«, meinte Lord Tregarthan und bat
sie, an einem kleinen Tisch Platz zu nehmen. Er setzte sich ihr gegenüber und
deutete mit seinem Monokel in die rechte Ecke des Raumes. »Da ist Mr.
Bullfinch«, sagte er.
    Jane
blickte äußerst interessiert in die angegebene Richtung. »Der Herr mit der
grünen Seidenjacke«, erklärte Lord Tregarthan.
    Jane
sah einen nicht sehr großen, untersetzten Mann, der mit einer hübschen
Debütantin plauderte. Sein Körperbau, erinnerte an einen Affen. Er trug sein
Haar gepudert, wodurch seine bläulichen Kinnbacken noch dunkler wirkten. Seine
Augen waren braun und klug, genau wie die eines Affen.
    Jane lief
es sichtbar kalt über den Rücken. »Er sieht finster aus. Schauen Sie nur, wie
er mit dieser Dame lacht und spricht. Offensichtlich hat er nicht sehr über den
Tod von Clara getrauert.«
    »Ich
glaube, dass ihn ihr Tod am Boden zerstört hat«, meinte Lord Tregarthan. »Ich
werde ihn Ihnen gleich vorstellen.
    Vorher
möchte ich Ihnen aber von meinem Besuch bei Mr. Gillespie, dem berühmten Arzt,
berichten.«
    »Und
ich nehme an, er war ebenfalls besonnen, aufrecht und ganz reizend«, sagte Jane
naseweis. »Sie scheinen entschlossen zu sein, sich zu weigern, mir einen
Bösewicht anzubieten.«
    »Ich
bedauere, sagen zu müssen, dass er höflich und ganz reizend war. Ich kam als
Patient,

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