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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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da ich ja schlecht zu ihm hingehen und ihn fragen konnte, ob er Clara
ermordet habe.«
    »Und
was haben Sie gesagt? Wegen welcher Krankheit haben Sie ihn aufgesucht?« fragte
Jane neugierig.
    »Man
hat mich von Portugal als Invalide mit einer Kugel im Bein nach Hause
geschickt«, antwortete Lord Tregarthan. »Ich habe ihm erzählt, es schmerze immer
noch sehr, und ihn um seinen Rat gefragt.«
    »Ich
wußte nicht, dass Sie in Portugal waren. Warum waren Sie dort?«
    »Ich
habe für mein Land gekämpft.«
    »Oh«,
sagte Jane leise. »Das wußte ich nicht.«
    Er ließ
seine Augen neugierig über ihr Gesicht streifen und lächelte dann. »Sie
scheinen wenig von militärischen Angelegenheiten zu wissen. Vielleicht
interessiert es Sie nicht. Wenn man einen Vater hat, der ein so großer Held
ist, sind wir anderen natürlich ganz kleine Fische.«
    »Papa?
Ein Held?«
    »Das
kann man wohl sagen. Er hat sich in der Schlacht am Nil tapfer geschlagen. Und
Sie wissen doch bestimmt, dass er bei Trafalgar zusammen mit Nelson gekämpft
hat.«
    »Ich muss
gestehen, dass ich es nicht weiß«, sagte Jane. »Er erzählt nie etwas, wissen
Sie.«
    »Nun,
um zu Mr. Gillespie zurückzukehren, er hat mein Bein untersucht und es für
gesund befunden, mir lediglich mehr Spaziergänge empfohlen und mir dann eine
gewaltige Summe in Rechnung gestellt.«
    »Wie
ist er?«
    Lord
Tregarthan verfiel in Schweigen, als er sich an seinen Besuch erinnerte. Der
Doktor war höflich, glatt und tüchtig gewesen. Er war, schätzte Lord
Tregarthan, nur ein paar Jahre älter als er selbst, von mittlerer Größe, mit
feinen, gefälligen, Gesichtszügen, einem dreieckigen Mund, der zu einem ewigen
Lächeln erstarrt schien, und kleinen, grauen, bösen, humorlosen Augen.
    »Ich
kann ihn nicht richtig beschreiben«, sagte Lord Tregarthan schließlich. »Er hat
mich irgendwie an einen Kellner mit schmerzenden Füßen erinnert.«
    »Das
verstehe ich nicht.«
    »Er ist
aus sehr bescheidenen Anfängen äußerst schnell zur Spitze seines Berufsstandes
aufgestiegen. Er hat sich ein höfliches, ehrerbietiges Benehmen zugelegt, aber
ich fühle seine Verachtung und seine Wut. Ich frage mich, was er wirklich, von
uns nichtsnutzigen Angehörigen der Gesellschaft hält.«
    »Ein
Angehöriger der Gesellschaft, der für sein kämpft, ist nicht nutzlos!«
    »Wie
kriegerisch Sie sind! Sie vergessen, dass es in London viele Liberale gibt, die
den Krieg als große Geldverschwendung betrachten und es gerne sähen, wenn
Napoleon uns mit seiner sogenannten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit,
beglücken würde.«
    »Wie
kann man so etwas denken. Der Mann ist ein heuer!«
    »Nicht
ganz so ungeheuerlich, wie ihn die Karikaturen und Schmähschriften darstellen.
Er frisst keine Kinder, was immer, man auch behauptet. Aber er hat große Macht
und setzt sich, rücksichtslos über alles hinweg.«
    »Aber
um auf Mr. Gillespie zurückzukommen - Sie haben nicht von Clara
gesprochen?«
    Nein,
aber er wird nächste Woche zu mir kommen. Ich fürchte, es wirkte etwas seltsam,
dass ich ihn aufsuchte. Er ist nicht daran gewöhnt, dass sich Angehörige der guten
Gesellschaft solche Umstände machen.«
    »Mr.
Bullfinch geht in den Ballsaal zurück«, sagte Jane.
    »Und muss
an uns vorbei.« Lord Tregarthan stand auf. »'n Abend, Bullfinch.« Er machte
Jane mit ihm bekannt. Auch Mr. Bullfinch stellte seine Begleiterin vor. Er
wandte sich an Jane und fragte sie höflich, ob ihr die Saison gefalle.
    »Sehr
gut«, sagte Jane. »Wir haben ein Haus gemietet, das sehr günstig liegt -
Clarges Street 67.«
    Mr.
Bullfinch wurde ganz still. Jane hatte den Eindruck, er horche, konnte aber
nicht sagen, ob er aus Janes Worten irgendeinen tieferen Sinn heraushören
wollte oder ob er einer Stimme aus der Vergangenheit lauschte.
    »Da
haben Sie wirklich Glück«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Ich lebe in
Streatham, was sehr ungünstig ist. Ich suche nach einer Wohnung, die näher an
der City liegt, wo ich geschäftlich tätig bin. - Ich höre Tanzmusik.
Guten Abend.«
    Er
führte seine Begleiterin hinaus.
    »Mr.
Bullfinch arbeitet doch nicht etwa?« fragte Jane.
    »Gewissermaßen.
Er ist Bankier. Er hat gute Verbindungen und ist allgemein beliebt. Nicht alle
Mitglieder der Gesellschaft sind nichtsnutzige Schaumschläger. Mr. Bullfinch
gehört zu den äußerst seltenen Leuten, die weder überheblich noch dünkelhaft
sind.«
    »Aber
haben Sie bemerkt, wie still er wurde, als ich das Haus in der Clarges

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