02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
»Eindeutig Alan Bennett.«
Ich war zu jung, um Bennetts TV-Comedy
On The
Margin
gesehen zu haben, deren Bänder die BBC schändlicherweise schon Wochen nach der Ausstrahlung gelöscht hatte, wie es in jenen Tagen üblich war, aber ich besaß einen Rundfunkmitschnitt der Höhepunkte, die ich ebenso auswendig kannte wie die Predigt aus
Beyond the Fringe
und seinen »Klappen«-Sketch aus
The Secret Policeman’s Other Ball
. Ich hatte sein Stück
Habeas Corpus
gelesen, aber nie gesehen, und es hatte sich einmal eine Kassette von
Forty Years On
in meinem Besitz befunden, in dem er als Lehrer namens Tempest auftrat. Leider war sie mir abhandengekommen. Doch es reichte mir, um ihn für einen Heroen zu halten.
Talking Heads, Magere Zeiten, An Englishman Abroad, King George – Ein Königreich für mehr Verstand
und
Die History Boys – Fürs Leben lernen
erschienen erst viele Jahre später.
»Alan Bennett, hm?«
War es Paranoia, oder ahnte ich, dass Richard meine Antwort enttäuschend fand? Peter Cook und John Cleese waren größere Comedy-Stars, besaßen Rock-’n’-Roll-Status und Charisma, aber Alan Bennetts Miniaturismus, seine Fragilität in Kombination mit seinem Sprachgefühl und den literarischen, fast akademischen Verweisen, sagte mir als Leitbild mehr zu. Die Geschichte hat natürlich erwiesen, dass sein Karriereweg für mich genauso unerreichbar war wie der von Cook und Cleese, aber ein Mann sollte immer die Hand weiter ausstrecken als bis zu dem, was er greifen kann, oder wofür könnte ein Himmel sonst gut sein?
Ein Jahr nach diesem Lunch, als
Gossip
in finanzielle Schwierigkeiten geriet und ich an den ersten Fassungen von
Me and My Girl
arbeitete, aber trotz schlimmster Schweißausbrüche kein Material für
Alfresco 2
mit Hugh zustande brachte, rief mich Richard an.
»Ha!«, sagte er. »Ich hab was für dich, das dir gefallen dürfte. Sei am Donnerstag um halb vier im Garrick Theatre, um für Patrick Garland und John Gale vorzusprechen. Bereite dich auf die Rolle von Tempest in
Forty Years On
vor.«
»W-a-a-a …?
»Fürs Chichester Festival im nächsten April.«
»B-i-i-i …«
»Viel Glück.«
Alan Bennetts ureigene Rolle. Und das unter der Regie desselben Mannes, der die Originalproduktion um 1960 herum inszeniert hatte. Ich hechtete zum Bücherregal. Ich wusste, dass ich irgendwo ein Exemplar hatte, aber es befand sich wohl in einer Kiste in meinem Elternhaus in Norfolk oder an jenem unauffindlichen Ort, an dem aller Teenagerbesitz verloren geht, all die Lieblingsschallplatten, die Poster und Pullover, die man nie mehr wiedersieht. Ich rannte zu John Sandoe’s hinüber, wo der Verkäufer sicher war, dass sie ein Exemplar hatten. Wenn er nur wüsste, wo … lassen wir ihn nachdenken. Ich hätte vor Ungeduld fast laut hinausgeschrien, als er sich frohgemut und mit unerträglicher Bedächtigkeit auf die Suche machte.
»Da wären wir. Unser einziges Exemplar. Leider ein wenig abgegriffen – aber Sie können es für ein Pfund haben.«
Ich verbrachte die nächsten paar Stunden damit, mich wieder in dieses erste abendfüllende Theaterstück von Alan Bennett einzulesen.
Forty Years On
spielt in einer fiktiven britischen Public School namens Albion House, wo man an der jährlichen Schultheateraufführung arbeitet. Diesmal handelt es sich um das speziell erarbeitete Werk »Speak for England, Arthur«, dasvom Kollegium und den Jungen aufgeführt wird. Dieses Stück im Stück führt eine Familie durch die Weltkriege mit Hilfe einer Reihe effektvoller Sketche, Monologe und Parodien, in denen es auf Bennetts einzigartige Weise gelingt, das Lebensfroh-Komische mit dem Traurig-Elegischen zu verbinden. Die ursprüngliche Produktion, in der John Gielgud den Headmaster spielte, Paul Eddington den Senior Master und Alan Bennett den etwas begriffsstutzigen Junior Master Tempest, war von Anfang an ein großer Erfolg. Der Name der Schule, Albion House, verwies das Publikum auf die durchaus nicht zu weit hergeholte Möglichkeit, dass sie vielleicht als Symbol für England stehen könnte.
Ich lernte die »Confirmation Class« von Tempest auswendig, in der er sich bemüht, die Jungen über die wichtigen Tatsachen des Lebens aufzuklären.
TEMPEST: Das ist Ihr Intimbereich, Foster. Und wenn jemand Sie zu berühren versucht, haben Sie zu sagen: ›Das ist mein Intimbereich, und den haben Sie nicht zu berühren.‹
FOSTER: Das ist mein Intimbereich, und den haben Sie nicht zu berühren.
TEMPEST: Das gilt nicht für
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