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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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diesem Gejammer sagen möchte, ist nicht, dass ich Ihr Mitleid erwarte oder Ihr Verständnis (obwohl ich keines von beiden aus meinem Bett werfen würde), sondern vielleicht eher, dass ich derjenige bin, der hier in Wirklichkeit Mitleid und Verständnis bietet. Denn ich muss glauben, dass die Gefühle, die ich beschrieben habe, nicht einzig und allein von mir empfunden werden, sondern uns allen gemein sind. Der Eindruck, zu versagen, die Furcht vor ewig währendem Kummer, die Unsicherheit, die Nöte, der Selbstekel und das schreckliche Bewusstsein minderer Leistungsfähigkeit, die ich beschrieben habe. Fallen Sie nicht alledem ebenfalls zum Opfer? Das kann ich nur hoffen. Anderenfalls würde ich mir nämlich vorkommen wie das augenfälligste Kuriosum. Ich gebe zu, dass meine Momente »suizidaler Gedanken« und Stimmungsschwankungen extremer und pathologischer sind, als die meisten sie zu ertragen haben, aber andererseits beschreibe ich doch sicherlich nichts anderes als die Ängste, die Schrecken und Neurosen, die wir alle teilen. Nein? Mehr oder weniger?
Mutatis mutandis
? Wobei alle übrigen Dinge gleich sind? Ach bitte, sagen Sie doch ja.
    Das ist ein Problem, dem sich viele Autoren und Comedians stellen müssen: Wir besitzen die grundlegende Arroganz, die uns mit der Überzeugung ausstattet, dass unsere Einsichten, Fixierungen und Gewohnheitenzum größten Teil miteinander geteilte Charakteristika sind, die ans Licht zu bringen und zu benennen wir allein die Kühnheit, das Verständnis und die Geistesfreiheit besitzen. Und wir genießen daher das Privileg oder beglückwünschen uns zumindest dazu, Fürsprecher der Menschlichkeit zu sein. Wenn ein Stand-up-Comedian das Nasebohren beschreibt oder das Pinkeln unter der Dusche oder was auch immer sonst, können wir unser Lachen als eine »Ich doch auch«-Befreiung interpretieren, die wiederum Lachen auslöst: Wir lachen nochmals, weil unser ursprüngliches Lachen und das der Person, die im Publikum neben uns sitzt, Komplizenschaft und geteilte Schuld beweist. So viel ist bei Beobachtungskomik offenkundig und eine Binsenwahrheit. Als Krönung kann natürlich das bewusste Spiel dienen, in dem Komiker zwischen den verbreiteten gemeinsamen Ängstlichkeiten und denen, die allein ihre sind, hin- und herpendeln. Und da, nehme ich an, lachen wir darüber, wie
verschieden
wir sind. Wie ähnlich, aber doch verschieden. Wie der Komiker stellvertretend für uns ein Leben extremerer Neurosen und Ängste führt. Eine Art »Gott sei Dank bin ich nicht so verrückt«-Lachen ist das Resultat. Wenn ein Comedian oder Autor seine Glaubwürdigkeit nachgewiesen hat, indem er ans Licht bringt, wie viel von dem, was er empfindet oder tut, dem entspricht, was auch wir empfinden und tun, kann er weitergehen und ein Ausmaß von Aktivitäten und Gefühlen offenbaren, die wir vielleicht nicht teilen, die uns eventuell sogar mit Abscheu erfüllen oder die wir möglicherweise doch teilen, aber lieber nicht ans Licht gezerrt haben wollen. Und Komiker, die sie nun einmal sind, wissen damit sehr wohl umzugehen.
    Man hört nur allzu oft folgende Nummer: »Sie wissendoch, meine Damen und Herren, Sie wissen doch, wenn Sie so dasitzen und fernsehen und Sie stecken sich den Finger in den Hintern und bohren damit so schön hin und her? … Nein? Oh, richtig. Dann bin ich wohl der Einzige, der so was tut. Entschuldigung. Uups. Machen wir weiter …« Nun, bei einem durchschnittlichen Stand-up-Comedian, der von physischen Dingen spricht wie vom Pinkeln unter der Dusche und dem Nase- und Hinternbohren, ist der Unterschied zwischen dem, was für die Allgemeinheit gilt und was individuell ist, leicht zu erkennen. Aber es sind eigenständige und bestimmbare Handlungen, deren man sich entweder »schuldig« macht oder nicht. Manche Menschen pinkeln unter der Dusche, andere tun es nicht. Ich muss zugeben, dass ich es tue. Ich versuche, brav zu sein und es mir unter der Dusche anderer Leute zu verkneifen, aber ansonsten fühle ich mich schuldlos, was diese logische, vernünftige und hygienisch untadelige Handlung betrifft. Ich bohre mir auch in der Nase. Aus Furcht, Sie oder mich in Verlegenheit zu bringen, werde ich aber damit mein Geständnis beenden. Sie können entscheiden, ob Sie das Buch jetzt aus der Hand legen wollen, um ins Leere zu sprechen: »Auch ich bohre in der Nase und pinkle unter der Dusche.« Viele Menschen tun keins von beidem und werden hoffentlich denjenigen von uns verzeihen, die in ihren

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