02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
sich meine erste Fassung ansah, die gerade aus dem Typenraddrucker gekommen war, lächelte er.
»Deine Arbeit besteht darin, dich arbeitslos zu machen. Je kürzer der Abstand zwischen den Musiknummern, desto besser.«
»Noch ist da viel zu viel Dialog, nicht wahr?«, sagte ich.
»Viel zu viel.«
Schließlich strich ich und strich ich und strich ich. Auf Empfehlung von jemandem las ich
The Street Where I Live,
Alan Jay Lerners vorzügliche Memoiren eines Songtexters und Buchautors. Wenn es in der Handlung eines Musicals Zeit wurde für eine emotionale oder erzählerische Veränderung, sagte Lerner, dürfe dieser Augenblick nicht durch gesprochenes Wort beschrieben, sondern müsse in Song oder Tanz ausgedrückt werden, denn warum sonst hätte man sich überhaupt einer musikalischen Darstellungsform bedient und nicht gleich ein Stück geschrieben? In einem guten Musical hält die Handlung nicht wegen eines Songs inne – die Songs
sind
die Handlung. Ich studierte dieses einleuchtende Rezept, betrachtete mir das Skript, das ich bis dahin abgefasst hatte, und stellte fest, dass ich nichts als ein Stop-Start-Drama geschrieben hatte, in dem alles Wichtige in den Szenen mit gesprochenem Dialog ausgeführt wurde, die von Zeit zu Zeit von Song- oder Tanznummern unterbrochen wurden. Douglas Furber und Arthur Rose, die das Originalbuch und die Songtexte geschrieben hatten, stammten aus der Zeit vor Lerners Grundsatzaussage. Bei der Bühnentechnik jener Zeittanzten die Chorsängerinnen vor einem Vordervorhang, während hinter ihnen das Szenenbild umgebaut wurde. Das moderne Theater verlangte offene Veränderungen des Bühnenbilds, und bei denen wird geschleppt, fliegen und schweben die Dinge durch die Gegend und werden mit Maschinentechnik Wunder vollbracht. Was diesen Bereich betraf, machte mir Mike Ockrent ungeheuer viel Mut. Er hatte an der Universität Physik studiert, war kurzzeitig Erfinder gewesen und verfügte über sehr viel Ingenieursverstand.
»Schreiben Sie einfach die extravagantesten und verblüffendsten Szenenwechsel, die Sie sich vorstellen können«, sagte er. »Wir werden dafür sorgen, dass sie funktionieren. Und schreiben Sie keinesfalls im Hinblick auf Geldersparnis. Der Bühnenbildner und ich werden das schon hinkriegen.«
Bei der nächsten Fassung kannte ich kein Halten. Die Show wurde von einer Nummer mit dem Titel »A Weekend at Hareford« eröffnet. Ich trickste ein wenig am Songtext herum und schrieb Bühnenanweisungen, die auf den ersten Blick absurd erscheinen mussten. Ich beschrieb Wochenendausflügler, die in offenen Autos aus London in ihre Landhäuser chauffiert wurden und dabei den Song sangen. Sie fuhren durch das Tor von Hareford Hall bis vor die wuchtige Fassade, die sich drehen und in einen Innenraum verwandeln sollte, wo die Gäste vom Hauspersonal begrüßt wurden. Schreiben ließ sich das leicht; sollten Martin Johns, der Bühnenbildner, und Mike Ockrent damit machen, was sie wollten.
Ich kürzte den Dialog so drastisch, wie ich konnte. Der Gedanke war, wie David Aukin vorgeschlagen hatte, von Musikstück zu Musikstück zu springen, mit so wenig Dialog wie möglich, aber auch bestimmte komischeSzenen – wie zum Beispiel Lupino Lane mit dem Umhang, wovon Richard gesprochen hatte, sowie eine Verführungsszene, zu der Kissen und ein Sofa gehörten – als selbständige Nummern zu behandeln. Ich fügte noch zwei bekannte Songs von Noel Gay hinzu: »The Sun Has Got His Hat On« und »Leaning On a Lamp-post«.
Mike besuchte mich in Chichester, um seine Anmerkungen zu dieser Fassung durchzugehen. Er fand großen Gefallen an jedem überzogenen, absurden und unmöglichen Ansinnen, das ich an seinen Einfallsreichtum gerichtet hatte.
»Mehr noch«, sagte er. »Lassen Sie uns noch viel weiter gehen!«
Aber warum, werden Sie wissen wollen, befand ich mich in Chichester?
Chichester 1 – Chichester, zum Ersten
Anfang 1982 lud Richard Armitage mich und Hugh ins L’Escargot zum Mittagessen ein.
»Damit ich mir eine Vorstellung machen kann, in welche Richtung ich euer Schicksal lenken soll«, sagte er, »solltet ihr beide mir sagen, wen ihr am meisten bewundert und wem ihr unbedingt nacheifern möchtet.«
Hugh fragte sich, ob es jemanden zwischen Peter Ustinov und Clint Eastwood geben könne. Vielleicht noch mit einer Prise Mick Jagger dazu.
Richard nickte, machte sich eine Notiz in seinem ledernen schwarzen Notizbuch von Smythson und wandte sich mir zu.
»Alan Bennett«, sagte.
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