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0355 - Die Bande der Nachzehrer

0355 - Die Bande der Nachzehrer

Titel: 0355 - Die Bande der Nachzehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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»Du, mir ist dieser Ort nicht geheuer. Ich habe eine regelrechte Angst vor ihm!« Helga Koppec hatte die Worte gesprochen und schüttelte sich, als hätte jemand Wasser auf ihren Kopf gegossen.
    Ihr Mann Karl hielt mit der Arbeit inne. »Wieso?« fragte er.
    »Ich weiß nicht so recht…«
    »Unsinn, Mensch, denk an das Geschäft. Wenn wir hier unseren Stand aufbauen, können wir gut verdienen. Du weißt, daß uns das in diesen schlechten Zeiten guttut.«
    »Schon, aber können wir nicht woanders hin?«
    Karl Koppec schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall, meine Liebe. Ich habe mir die Mühe gemacht und bin im Sommer hergefahren. Hier wohnen Deutsche, Landsleute gewissermaßen, und die werden zu Weihnachten ebenso sentimental wie du oder ich. Glaub mir das. Und wenn Menschen sentimental sind, kaufen sie dir die Bude leer.«
    Helga nickte, bevor sie meinte: »Wir sollten trotzdem auf das verdammte Geld verzichten!«
    »Nein!« Karl Koppec wurde allmählich wütend. »Glaubst du im Ernst, ich habe Gefängnis riskiert, um jetzt den Schwanz einzuziehen? Die Bude ist aufgebaut. Der Weihnachtsmarkt wird eröffnet, und du wirst sehen, wie sie uns die geschmuggelten Souvenirs aus den Händen reißen werden. Das wirst du erleben.«
    »Ich weiß nicht, Karl…«
    »Du weißt nie etwas, nie weißt du etwas.« Während seiner Worte hatte sich der Mann gebückt und aus dem Karton einen nachgemachten Kölner Dom in Miniaturausgabe hervorgekramt. Er hielt ihn seiner Frau hin. »Da, Helga, sieh ihn dir an. Der besteht zwar nur aus Aluminium, aber was glaubst du, wie die Deutschstämmigen hier im fernen Rumänien scharf auf die Sachen sind. Das ist doch etwas. Da werden sie an die Heimat erinnert. Ich schmücke das Zeug noch mit Tannenzweigen und verkaufe es zum doppelten Preis. Das geht besser als Christbaumschmuck. Und nun sag du mir ein Argument dagegen. Ich warte darauf.«
    »Ich… ich weiß ja auch keines.«
    »Bitte.«
    Helga schaute zu Boden. Sie war eine Frau, der das Leben nichts geschenkt hatte. Seit zwanzig Jahren wohnte die jetzt 45jährige Frau in Rumänien. Gern wäre sie nach Deutschland gezogen, aber sie waren aus Rußland gekommen und hatten froh sein müssen, ein wenig näher an ihrer Heimat leben zu können.
    Inzwischen hatten sie die Hoffnung aufgegeben. Zudem fühlten sie sich für eine Ausreise zu alt, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als auch den Rest ihres Lebens in Siebenbürgen zu verbringen, wo noch immer zahlreiche Deutsche lebten. Auch fern der Heimat hielten sie als Minderheit ihre Kultur aufrecht.
    Deshalb auch der Weihnachtsmarkt.
    »Du sagst ja nichts, Helga.«
    Die grauhaarig gewordene Frau hob die Schultern. »Was soll ich dir darauf erwidern? Mir fällt nichts ein. Im Prinzip hast du ja recht. Nur…«
    »Was ist mit nur?«
    »Mein Gefühl, Karl. Es sagt mir, daß uns noch etwas Schreckliches widerfahren kann.«
    »Und was?«
    »Keine Ahnung.«
    »Oder denkst du an den Alten, der uns da diese komischen Worte gesagt hat?«
    »Das vor allen Dingen.«
    Karl Koppec legte den Kopf zurück und begann zu lachen. »Das darf doch nicht wahr sein«, beschwerte er sich. »Dieser Typ hat doch allen davon erzählt, wie verflucht der Ort ist, auf dem wir den Weihnachtsmarkt aufbauen und wir somit das Unheil anlocken wollen. Das ist Kinderkram, Helga, und das weißt du.«
    Die Frau schob eine der vier brennenden Kerzen zur Seite, damit sie besser sehen konnte. »Nein, das weiß ich nicht, und ich möchte noch einmal betonen, daß wir nicht in Deutschland sind.«
    »Das weiß ich. Leider sind wir nicht in Deutschland. Aber was hat das mit uns zu tun und mit deiner Angst?«
    »Wir befinden uns in Rumänien, Karl. In einem Land, das seine Geheimnisse besitzt. Hier sind die Sagen und Legenden über Vampire und Werwölfe entstanden. In den dichten Wäldern haben sie gehaust, auf alten Friedhöfen ebenso wie in verlassenen Orten. Weißt du das denn alles nicht? Muß ich dich extra daran erinnern?«
    »Brauchst du nicht.«
    »Dann wundere ich mich über deine Reaktion.«
    Karl Koppec schaute seine Frau an. Sie besaß noch immer die gleichen schönen Augen wie früher. Nur war die Haut inzwischen rauher und älter geworden. Falten hatten sich gebildet, ein hartes Leben hinterläßt eben Spuren.
    Die schmalen Lippen besaßen einen Zug von Resignation. Das bestürzte Karl, denn er wußte, daß seine Frau darunter litt, nicht in der angestammten Heimat wohnen zu können. Und dabei wollte er so gern, daß seine

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