02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Märchenspielabend in Norwich, als ich sieben war und Roger neun. Buttons trat auf und fragte, ob Jungen oder Mädchen im Publikum seien, die Lust hätten, zu ihm auf die Bühne zu kommen. Roger verkroch sich tief in seinen Sitz, um sich unsichtbar zu machen. Die Vorstellung, dort oben im Scheinwerferlicht den Blicken der Zuschauer ausgesetzt zu sein, war ihm ein Graus. Ich hingegen hüpfte auf und ab und schwenkte hartnäckig die Hand in der Luft, beseelt von dem unbändigen Wunsch ausgewählt zu werden. Zwei Jungen mit einem Altersunterschied von achtzehn Monaten, unter denselben Bedingungen aufgewachsen und von denselben Eltern erzogen. Es gibt, Gott sei Dank, viel mehr Rogers auf der Welt als Stephens.
Vielleicht teilt sich das kindliche Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, das ich damals verspürte, eine Herkunft mit meinem kindlichen Verlangen nach Süßigkeiten. Der Wunsch, berühmt zu sein, ist infantil, und die Menschheit hat noch kein Zeitalter erlebt, in dem Infantilismus so sanktioniert und ermuntert wurde wie heute. Infantile Nahrungsmittel in Form von Chips, süßen Sprudelgetränken und pappigen Hamburgern oder Hot Dogs, die in zuckrigen Soßen serviert werden, gelten inzwischen als Hauptnahrung für Millionen von Erwachsenen. Berauschende Drinks, die als Milkshakes und Limonaden getarnt sind, stehen denjenigen zurVerfügung, deren Geschmacksknospen noch nicht so erwachsen sind, dass sie sich am Geschmack von Alkohol erfreuen können. Wie auf dem Nahrungssektor schaut es auch auf dem Feld der Kultur aus. Alles Herbe, Pikante, Scharfe, Vielschichtige, nicht eindeutig Erkennbare und Schwierige wird zugunsten des Farbenfrohen, Süßen, des Inhaltslosen und Simplen ignoriert. Ich weiß, dass Ruhm für mich als Kind so etwas war wie Zuckerwatte. Sie sah geheimnisvoll aus, aufgebauscht und dramatisch und aufsehenerregend. Ich komme in Versuchung, hier und jetzt zu schreiben, dass der Ruhm sich wie die Zuckerwatte als kaum mehr denn Luft am Stiel erwies und dass der kleine Anteil an Substanz, der ihm eigen ist, widerwärtig süßlich schmeckte, bei mir Übelkeit erregte und sich als zerstörerische Kraft entpuppte, aber ich werde mir solche Gedanken, wenn ich sie wahrlich gehegt habe, für später aufsparen. Ich bin bis zu diesem Punkt in meiner geschilderten Geschichte noch ganz und gar nicht berühmt und kann nicht sagen, wie sich Ruhm anfühlt – nur dass es sich um einen Zustand handelt, nach dem ich mich sehne.
Ich denke, dass tatsächlich nur wenige Menschen wirklich so besessen davon sind, berühmt zu sein, wie ich es war. Die meisten schrecken vor dem Gedanken zurück, möchten bei der Vorstellung, der Öffentlichkeit preisgegeben zu werden, am liebsten in ihrem Sitz versinken. Vielleicht stellen sie sich von Zeit zu Zeit vor, wie es wäre, berühmt zu sein, und malen sich in Gedankenexperimenten aus, im Blitzlichtgewitter auf dem roten Teppich zu flanieren, aber das ist nicht mehr als die ganz normale Phantasievorstellung, als Schlagmann England im Cricket zu vertreten oder in Wimbledon mit einem Volley den Turniersieg zu holen. Die meisten Menschenstreben ein ruhiges Leben außerhalb des Lichts der Öffentlichkeit an und besitzen ein gesundes Gespür dafür, wie seltsam der Ruhm sein muss. Sie sind so feinfühlig, die Prominenten nicht alle über einen Kamm zu scheren, weil sie das Verbrechen begangen haben, Popsänger zu sein, Golfer oder Politiker. Die meisten Menschen sind tolerant, verständig, freundlich und rücksichtsvoll. Meistens. Menschen wie ich, zerfressen von Ehrgeiz, brodelnd vor Missgunst, eben noch weißglühend vor Begehrlichkeit und im nächsten Moment verdrießlich vor Frustration und Enttäuschung, wir sind diejenigen, bei denen sich alles um Ruhm und Status dreht, und das beschert uns nichts als Enttäuschung, Ärger und gruselige Panikattacken.
All das zuzugeben ist mir peinlich. Diejenigen, die in meinem Metier zu Hause sind, bekennen sich nicht zu so vulgären, schnöden und würdelosen Sehnsüchten. Ihnen geht es einzig und allein um die
Arbeit
. Wenn diese Arbeit, anders als der Versicherungsjob, die Buchhaltung oder Lehrtätigkeit, ganz zufällig auch Prominenz im Schlepptau hat oder Reichtümer – auch gut. Im Visier hat man das Wildgeflügel namens Leistung; Ruhm und Reichtum sind nur die Federn, mit deren Hilfe es fliegt. Ja, genau. Wir kennen diese erhabenen Grundsätze, ich unterstreiche und unterschreibe sie. Aber das hungrige Kind, das in dem Mann in Tweed versteckt
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