02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Wochenzeitschriften auf, ganz in der Nähe der Stapel von Veranstaltungsmagazinen. Um eine
Radio Times
in die Hand zu bekommen, mussten die Leute mich bitten, beiseitezutreten, und obwohl diese Personen per Definition Fernsehzuschauer sein mussten, sagten ihnen meine Gesichtszüge, die sich inzwischen zu einem hoffnungslos verzweifelten Grinsen verzerrt hatten, nichts. Das war höchst seltsam. Wie jeder Mensch auf der Welt wusste, bedeutete ein Fernsehauftritt unmittelbaren Ruhm. Eines Morgens verkündest du auf BBC 1 noch den Wetterbericht, am nächsten Morgen wirst du bereits in der Schlange vor der Supermarktkasse belagert. Stattdessen war ich in diesen Tag gestartet, um feststellen zu müssen, dass ich anonym und immer noch nicht mehr als nur ein Gesicht in der Londoner Menge geblieben war. Vielleicht hatte sich fast niemand die Footlights-Show angesehen. Oder vielleicht hatten es Millionen getan, aber ich besaß eines jener nichtssagenden und leichtzu vergessenden Gesichter, so dass es mein Schicksal sein würde, unbekannt zu bleiben. Aber das war doch wohl unwahrscheinlich? Ich hatte meinem Gesicht in der Vergangenheit eine Menge bitterer und unversöhnlicher Wahrheiten gesagt, aber ich hatte ihm nie vorgeworfen, leicht zu vergessen oder nichtssagend zu sein.
Ich zog ein
BBC-Micro
-Alibimagazin aus dem Regal und ging. Als ich enttäuscht zurück zu unserer Wohnung schlich, hörte ich hinter mir eine Stimme:
»Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie!«
Ich drehte mich um und sah ein aufgeregtes junges Mädchen. Endlich. »Ja?«
»Sie haben Ihr Wechselgeld vergessen.«
Hier sind die ersten Zeilen von
Verlorene Liebesmüh
:
Mag Ruhm, den jeder sucht, solang er lebt,
Leben in Schrift auf unserm erznen Grabe
Und dann uns zieren in des Todes Unzier.
Das ist die Eröffnungsrede des Königs von Navarra, mit der Hugh 1981 in der Produktion der Marlowe Society seine Schwierigkeiten gehabt hatte. Aus den Worten spricht eine noble Gesinnung, aber nichts könnte der heutigen Lebensauffassung mehr widersprechen. Sicher hat es den Anschein, als strebten alle weiterhin nach Ruhm, aber wie viele würden sich damit zufriedengeben, dass er sich erst in Form einer Grabinschrift kundtäte? Man will ihn auf der Stelle. Und das wollte ich auch. Solange ich zurückdenken kann, habe ich davon geträumt, berühmt zu sein. Ich weiß, wie peinlich dieses Eingeständnis ist. Ich könnte versuchen, es in hübschere Wörter zu kleiden, vielschichtige psychologische Begründungen aufzufahren und ihm anzudichten,komplexe Entwicklungsursachen, die diesen Seelenzustand zu einem Syndrom erhöhen, anzuführen und zu implizieren, aber es hat keinen Sinn, es in feine Tücher zu wickeln. Vom ersten Moment, da ich gewahr wurde, dass eine Menschengruppe aus Prominenten existierte, hatte ich dazugehören wollen. Wir beten einander missbilligend vor, dass wir in einer Kultur leben, die von dem Gedanken der Prominenz besessen ist; viele Menschen beklagen alltäglich händeringend, wie sehr die Fassade dem Inhalt vorgezogen wird und wie viel mehr der Schein gilt als das Sein. Ruhm zu
begehren
zeugt von einer inhaltsleeren und wahnhaften Einstellung. So viel wissen wir alle. Aber wenn wir Cleveren so klar erkennen, dass der Ruhm eine Falle und Illusion ist, können wir doch wohl ebenso deutlich sehen, dass sich ein Jahr für Jahr wachsender Anteil der westlichen Jugend in seinen Fallstricken verfängt und von seinen Illusionen blenden lässt.
Wir haben das grässliche Bild Tausender vor Augen, die sich so mitleiderregend um die Teilnahme an TV-Talentshows bewerben und deren Nasen unentwegt in grellbunten Promizeitschriften zu stecken scheinen. Wir bedauern und verachten sie wegen ihres begrenzten Blickfeldes. Besonders die weiblichen Teenager sind unserer Ansicht nach Sklaven des Körperbilds und der Modephantasien, sind süchtig nach der Droge Ruhm. Wie kann unsere Kultur nur so kaputt und krank sein, fragen wir uns, dass sie eine Horde von talentlosen Nobodys zu Objekten der Idealisierung erhöht, die weder moralische, spirituelle oder intellektuelle Substanz zu bieten haben und über keine erkennbaren Talente verfügen, außer dass sie klinisch saubere Erotik und unverfängliche Fotogenität spiegeln?
Ich würde die üblichen Gegenargumente aufbieten. Erstens ist das Phänomen längst nicht so neu, wie alle denken. Dass es inzwischen mehr Absatzkanäle, Pipelines, Verfahren und Instrumente zur Übermittlung und zum Erhalt von
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