02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Amfebutamon, in Amerika besser bekannt als Welbutrin, eines der meistverschriebenen Antidepressiva der Welt. Ich hatte irgendwo gelesen, dass es in fast dreißig Prozent aller Fälle auch als »Entwöhnungshilfe für Raucher« wirkt. Ich rief bei der Sekretärin meines Arztes an und machte einen Termin. Er schrieb mir ein Rezept für eine dreiwöchige Anwendung. So wie diese Pillen, um eine Depression zu bekämpfen, auf das gehirneigene Depot an Stimmungsaufhellern – Noradrenalin und Dopamin usw. – wirkten, so konnten sie auch bewirken, wie behauptet wurde, dass die Ängste und Schrecken des Nikotinentzugs beruhigt, gedämmt und sogar gestillt wurden. Ungewöhnlich und reizvoll war, dass man die Pille nehmen, aber gleichzeitigweiterrauchen sollte. Aus irgendeinem Grund würde das Verlangen verschwinden, wenn man zu den 27 Prozent gehörte, die auf diese Behandlung ansprachen.
Und wissen Sie was? Es stellte sich heraus, dass ich zu ihnen gehörte.
Es war ein Wunder. Ich stellte fest, dass ich aufhörte, ohne dass es mir etwas ausmachte.
Ich fliege nach Amerika, zum ersten Mal in meinem Leben glücklich, zwölfeinhalb Stunden in einem Flugzeug zu verbringen, ohne der Würdelosigkeit anheimzufallen, Nikotinpflaster, Nikotinkaugummi oder Inhalatoren benutzen zu müssen – in den schlimmen alten Tagen manchmal alle drei gleichzeitig.
Am vierten Donnerstag im November, dem Thanksgiving Day in den Vereinigten Staaten, treffe ich mich mit dem Filmemacher Peter Jackson, für den ich ein Drehbuch schreiben soll, das sich mit den Luftangriffen auf die deutschen Staudämme im Ruhrgebiet 1943 beschäftigt. Ein Meisterwerk des britischen Kinos war, natürlich, bereits über die Zerstörung der Talsperren gedreht worden, aber wir hofften, die Geschichte nochmals erzählen zu können und dabei Details bekanntzumachen, die 1954 zu prekär oder geheim gewesen waren.
Ich fahre zum Bungalow des Beverly Hills Hotel, den Peter für die Dauer seines Aufenthalts gemietet hat, um Einzelheiten zu besprechen. Fran, Peters Frau, ist zusammen mit anderen Mitgliedern der Produktionsfirma Wingnut ebenfalls anwesend. Thanksgiving Day ist für Nichtamerikaner wie uns der perfekte Zeitpunkt für eine ungestörte Besprechung.
Nach Ende der Besprechung lädt ein Assistent einen Riesenkarton mit Recherchematerial, das Wingnut fürmich zusammengetragen hat, in den Kofferraum meines Mietwagens. Jede erdenkliche Archivquelle zum Thema der Dammbrecher-Angriffe, ob in Textform, als Video, als Tondokument oder Fotomaterial, ist zu meiner Unterstützung zusammengetragen worden. Zur Verfügung steht sogar ein Faksimile des Drehbuchs von R. C. Sherriff für Michael Andersons Film
The Dambuster s (Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren)
von 1954. Ich fahre auf dem Sunset Boulevard nach West Hollywood zum Chateau Marmont, dem Hotel, in dem ich für ungefähr einen Monat, der mir zur Fertigstellung des Drehbuchs eingeräumt wurde, eine Suite gemietet habe.
Ich verbringe einen angenehmen Abend damit, die Dokumente zu sichten und die morgige Arbeit zu planen. Wie erfreulich alles ist. Welches Glück ich doch habe. Was soll noch schiefgehen?
Nebenan herrscht plötzlich Unruhe, und als ich in den Flur schaue, sehe ich, dass die Schauspielerin Lindsay Lohan auf einer Krankenbahre weggebracht wird. Es scheint so, als sei ihr das viele Partyfeiern nicht bekommen. Das Chateau Marmont wird wohl auf alle Zeiten als der Ort berüchtigt bleiben, wo John Belushi sich mit einem letzten Speedball ums Leben brachte. Es ist immer noch ein beliebter Treffpunkt für Hollywoods besonders extravagante Partygänger, und Lindsay Lohans bedauerliche Überdosis erwies sich zwar nicht als tödlich, erregte aber viel Aufmerksamkeit. Aber diese Dinge müssen mich nicht kümmern.
Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, schwimme ein paar Runden im Pool und kann es kaum abwarten, mit dem Skript anzufangen. Ich bereite mir ein Omelett, mache mir eine Riesenkanne Kaffee – die Suiten im Chateau sind mit großartigen Küchen ausgestattet –und setze mich an meinen Schreibtisch. Zur Inspiration habe ich Fotos von Guy Gibson, Barnes Wallis und einem Lancaster-Bomber mit Haftkleber an die Wand geheftet. Was könnte der Arbeit dienlicher sein?
Aber es gibt ein Problem.
Ein furchtbares Problem.
Ich kann nicht schreiben.
Meine Finger berühren die Tastatur, und ich zwinge sie, zu tippen.
AUFBLENDE:
INNEN. DAS LUFTFAHRTMINISTERIUM – ABEND,
1940
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