02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
und überwältigend. Einige Trimester zuvor war ich noch glücklich gewesen, in Inszenierungen von Tschechow oder Shakespeare als greinender Soldat auf die Bühne zu kommen oder als warziger alter König. Ich hatte zugehört, wie die ernsthafteren Schauspieler davon sprachen, sich um Plätze in den Diplomkursen an der Webber Douglas Academy zu bewerben, ein Weg, den Ian McKellen nach Cambridge eingeschlagen hatte. Seit ich Hugh kennengelernt und begonnen hatte, mit ihm zusammen, aber auch allein, Sketche zu schreiben, hatte ich zu hoffen gewagt, mich vielleicht eines Tages beim BBC Radio um einen Job als Hörspielautor, Produktionsassistent oder etwas in der Art bewerben zu können. Was meine Zukunft als Comedy-Darsteller betraf, war ich jedoch weniger sicher. Das meisterliche Mienenspiel, das Timing, die Verblüffungseffekte, die Clownerien und die furchtlose Selbstgewissheit, mit denen Hugh und Emma auf der Bühne und bei den Proben agierten, brachte ich bei weitem nicht so selbstverständlich zustande. Meine Stärke waren Stimme und Wörter; mein Gesicht undmein Körper erwiesen sich immer noch als Quelle von Scham, Unsicherheit und Hemmungen. Dass dieser Richard Armitage nicht nur bereit, sondern sogar erpicht war, mich unter seine Fittiche zu nehmen und in eine echte Karriere zu führen, kam mir vor wie erstaunliches Glück.
Ich entdeckte später, dass Richard, der schlaue alte Fuchs, der er war, seinen jüngsten Klienten vorgeschickt hatte, um sich uns anzusehen und seine Meinung kundzutun. Was erklärte, warum Rowan zur Vorstellung gekommen war. Offensichtlich hatte er so sehr die Trommel für uns gerührt, dass sich Richard veranlasst sah, selbst nach Cambridge zu reisen und uns jetzt, nachdem er die Show mit eigenen Augen gesehen hatte, dieses Angebot zu machen.
Ich nahm an. Klar. Und Hugh und Paul taten es auch. »Natürlich«, sagte Hugh hinterher, auf dem Rückweg vom Theater, »hat das eigentlich noch nichts zu bedeuten. Er fängt sich wahrscheinlich jedes Jahr Dutzende ein.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Aber trotzdem: Ich habe einen Agenten!«
Ich blieb stehen, um einer Parkuhr diese Neuigkeit zu verkünden: »Ich habe einen Agenten!«
Die Silhouette der Kapelle des King’s College ragte in den Nachthimmel. »Ich habe einen Agenten«, informierte ich sie. Sie zeigte keine Regung.
Cheerio, Cambridge – Tschüs, Cambridge
Mein letzter May Ball, meine letzte Cherubs-Sommerparty im Grove von Queens’. May-Week-Partys überall in Cambridge, ungeahntes Ausmaß an Trunkenheit, der Hinternentblößung, des Torkelns, Flennens und Kotzens. Kim und ich schmissen unsere eigene Party auf dem Scholar’s Lawn von St. John’s und leerten auch noch die allerletzte Flasche aus der allerletzten Kiste Taittinger, die Kims Eltern dankenswerterweise geschickt hatten. Meine Familie erschien zur Abschlussfeier: Hunderte von identisch in düstere akademische Gewänder gehüllte von Graduierenden zu Graduierten Mutierte tummelten sich auf dem Rasen vorm Senate House und sahen plötzlich recht erwachsen und verloren aus, wie sie mit gezwungenem Lächeln für Elternfotos posierten und dreijährigen Freundschaften ein letztes Lebewohl sagten. Der Schatten der Außenwelt drohte sich bereits über uns zu legen, und die vergangenen drei Jahre schienen sich plötzlich von uns zu lösen und abzufallen wie die alte Haut einer Schlange, zu verschrumpelt und zu klein, um je unsere schönen und glanzvollen Jahre umhüllt zu haben.
Kims Eltern lebten in Manchester, hatten aber auch ein Haus im wohlhabenden Londoner Vorort Hadley Wood, von dem aus man schnell die U-Bahn-Stationen High Barnet und Cockfosters erreichte. Dieses Haus stellten sie Kim und mir zur Verfügung, nachdem wir Cambridge verlassen hatten. Es war ein absurd wundervoller und luxuriöser Einstieg in das Leben außerhalb der Universität. Dort sah ich im TV, wie Ian Botham die »Ashes«-Trophäe von Australien zurückgewann, und fühlte mich wie der glücklichste Mensch im Universum.
Fast unmittelbar darauf gingen wir mit
The Cellar Tapes
für eine Woche ins Playhouse Theatre nach Oxford. Nach der angenehmen Zeit im Cambridge Arts kam uns das Playhouse mit seinem langgestreckten kegelbahnähnlichen Saal für Comedy-Aufführungen ungeeignet vor, und unser Material schien zu verpuffen. Die Leitung und der technische Stab des Theaters waren alles andere als gastfreundlich, so dass wir die Woche eingeschüchtert und unglücklich unter den feindseligen Blicken
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