02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

übernahm die Rolle von Franklin, die Paul in der ursprünglichen Produktion gespielt hatte. John war zusammen mit John Bird, Eleanor Bron und Timothy Birdsall Ende der fünfziger Jahre eine der Comedy-Größen in Cambridge gewesen. Zusammen mit Eleanor Bron hatte er die legendäre (und eingestellte) Serie
Where Was Spring?
kreiert. Seine Zusammenarbeitmit John Bird sollte ihm in den späten Neunzigern und darüber hinaus durch die unbändig intelligenten und weitblickenden satirischen Beiträge zu
Bremner, Bird und Fortune
noch einmal einen hohen Bekanntheitsgrad bescheren.
    Annette Crosby spielte die Hausmutter. Sie ist inzwischen allseits bekannt als Victor Meldrews Ehefrau in
One Foot in the Grave
, aber ich erinnerte mich an sie als äußerst glamouröse Queen Victoria in
Edward VII
und als eine geradezu unmöglich kecke und köstliche gute Fee in
Cinderellas silberner Schuh
. Doris Hare trat als die alte Großmutter auf. Sie war neunundsiebzig und eine gebieterische Komödiantin der alten Schule, geliebt für ihre vielen Jahre als Reg Varneys Mutter in
On the Buses.
Ein begabter junger Schauspieler namens Stephen Rashbrook übernahm die Rolle des obersten Aufsichtsschülers, und der Rest der Schülerschaft wurde von einheimischen Jungen aus West-Sussex gespielt.
    Das Chichester Festival, das in den Sechzigern von Leslie Evershed-Martin und Laurence Olivier ins Leben gerufen worden war, präsentierte jedes Jahr über einen langen Sommer Theaterstücke und Musicals in einem großen, zweckgebauten Theater mit nach drei Seiten offener Bühne. Die Saison 1984 bot
Der Kaufmann von Venedig
,
The Way of the World
und
Oh, Kay!
sowie die
Forty Years On
, deretwegen ich angereist war. Ein Zelt, das inzwischen durch ein voll funktionsfähiges zweites Haus mit Namen Minerva ersetzt worden ist, diente damals als Spielstätte für kleinere experimentelle Produktionen. Als Auftritt, als ein Engagement, stand Chichester in hohem Ansehen bei Schauspielern alter Schule, denen die entspannte Atmosphäre einer wohlhabenden Stadt an der Südküste behagte, die lange Repertoire-Saison,die keine zu großen Ansprüche stellte, und schließlich auch die garantierte Gewissheit, sich auf ein treues Festivalpublikum verlassen zu können. Dieses regelmäßig erscheinende lokale Publikum wurde aufgrund seines kategorischen und engstirnigen Geschmacks kollektiv als Colonel und Mrs Chichester bezeichnet – Rattigan schien der einzige Bühnenautor der Nachkriegszeit zu sein, den sie verkraften konnten. Colonel und Mrs Chichester scheuten sich nicht, die aufregende Nachricht kundzutun, dass sie ins Theater gingen, um sich
unterhalten
zu lassen.
    Patrick Garland war ein wundervoller Regisseur, höflich, intelligent, wohlwollend und feinsinnig taktvoll. Bei den Proben pflegte er die verdutzten Jungs im Ensemble so charmant respektvoll anzusprechen, als säßen sie in einem Gemeinschaftsraum in Oxbridge. »Wenn Sie mir die Anmerkung verzeihen wollen, Gentlemen, so sehe ich mich doch gezwungen zu erwähnen, dass die schleppende Art und Weise des gemeinsamen Abgangs, der direkt auf Pauls Exordium im zweiten Akt folgt, dem Tempo und der Dynamik der Szene unzuträglich ist. Ich wäre sehr dankbar, würde hier Abhilfe geschaffen. Seien Sie bedankt.«
    Der Bühnenbildner unseres Stücks war Peter Rice, mit dessen Sohn Matthew ich mich bald anfreundete und der ein lebenslanger Freund blieb. Wenn er nicht seinem Vater half, grub er den Garten des kleinen Hauses um, das er für die Saison gemietet hatte, schoss Kaninchen und Tauben, häutete und rupfte sie und bereitete daraus vorzügliche Abendessen. Er spielte Klavier, sang, zeichnete und malte. Seine Stimme war der von Prinzessin Margaret nicht unähnlich: hoch, vornehm und schneidend. Vielleicht hatte er zu viel Zeit in ihrerGegenwart verbracht, denn er war ein enger Freund ihres Sohnes David Linley, mit dem zusammen er in Bedales die Schule besucht hatte.
    Anders als Matthew, dessen Häuschen ein sympathischer ländlicher Rückzugsort auf dem Besitz des Earl of Bessborough war, hatte ich mir eine ziemlich öde moderne Wohnung genommen, von der aus ich das Festival Theatre leicht zu Fuß erreichen konnte. Meine Freizeit widmete ich dem Skript von
Me and My Girl
. Ein- oder zweimal kam Mike Ockrent, um mit mir daran zu arbeiten. Robert Lindsay war plangemäß als Bill besetzt worden, und die Rolle von Sally sollte Leslie Ash übernehmen, wenn sie denn Unterricht im Stepptanz und Gesangsstunden nahm. Die