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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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schwarzen Turnschuh. Ich nehme ihn zur Hand, biege ihn nach hinten und lasse die Sohle wieder zurückspringen.
    Was habe ich getan? Wenn ich die angedrohte Tracht Prügel nicht verabreiche, ist die Autorität, die ich bisher erworben habe, untergraben, und ich werde die Jungs nie wieder unter Kontrolle bekommen. Aber wie hart schlägt man zu? Angenommen, ich bringe ihn zum Weinen? Gütiger Gott.
    Ich gehe auf und ab, klatschte die Schuhsohle in meine Handfläche, härter und härter, bis es heftig brennt.
    Ein zaghaftes Klopfen an der Tür.
    Ich räuspere mich. »Herein.«
    Philips schlurft herein. Seine Miene ist gefasst und ernst. Er hat Angst. Es ist bekannt, dass ich die Tracht bisher noch nie verabreicht habe, und ich nehme an, dass er nicht sicher sein kann, ob ich nicht eventuell brutal zuschlagen werde. Er scheint die Prozedur besser zu kennen als ich, denn er zieht seinen Morgenmantel aus und hängt ihn auf eine Weise, die darauf deutet, dass er es bereits oft getan hat, an einen Haken auf der Rückseite der Tür.
    »Ich habe euch gesagt, dass ich jeden, den ich als Nächsten beim Randalieren erwische, eine Tracht verabreiche, oder, Philips?«
    »Ja, Sir.«
    Warum fleht er nicht um Gnade? Dann wäre ich wenigstens in der Lage, einzulenken. Stattdessen steht er da, angstvoll zwar, aber herausfordernd gefasst, und lässt mir kaum eine andere Wahl.
    »In Ordnung. Gut. Bringen wir es hinter uns.«
    Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es jetzt weitergehen soll, aber wieder hilft mir Philips. Er geht zum Ledersessel vor dem Kamin und beugt sich über die Lehne, um sein Hinterteil in die bewährte Stellung zu bringen.
    O Gott. Ach, zum Teufel.
    Ich schwinge meinen Arm in die Höhe und lasse den Turnschuh niedersausen.
    Er trifft.
    Schweigen.
    »So. Okay. Gut.«
    Philips dreht den Kopf und wirft einen Blick zu mir hinauf. Schock steht ihm im Gesicht. Er ist verblüfft.
    »Ist das … ist es das, Sir?«
    »Und lass dir es eine Lehre sein! Wenn ich sage, kein Herumalbern, dann
meine
ich kein Herumalbern! Und jetzt ab mit dir, zurück ins Bett!
    »Sir.«
    Mit kaum verhohlenem Feixen steht Philips auf, nimmt sich seinen Morgenmantel und geht.
    Die Wucht, mit der die Gummisohle auf seinen Hintern prallte, hätte nicht einmal eine Mücke gejuckt. Wenn ich den Schuh einfach auf ihn hätte fallenlassen, statt zuzuschlagen, wäre der Schmerz mit Gewissheit stärker gewesen. Ich hätte ihn genauso mit einem Papiertaschentuch vertrimmen können. Es war keine Tracht gewesen, sondern ein mattes Tatschen.
    Ich lasse mich, am ganzen Körper zitternd, in meinen Sessel fallen. Nie wieder. Nie wieder würde ich mit Prügelstrafe drohen.
    Und ich tat es auch nie wieder.
     
    Der hochgewachsene, meist gutgelaunte, Pfeife rauchende Sonderling, der in allen möglichen Fächern unterrichtete, als Schiedsrichter Spiele der jüngeren Schüler betreute und sich bei Kollegium und Jungen nützlich machte, so gut er konnte, fühlte sich in Cundall wohl. Und Cundall schien ihn zu mögen, denn als er sich zumEnde des Sommersemesters verabschiedete, fragte ihn der Schulrektor, ob er vielleicht zum nächsten Semester wiederkomme könne.
    »Aber dann fange ich mein Studium in Cambridge an.«
    »Das Michaelmas-Trimester fängt in Cambridge doch erst im Oktober an. Wir beginnen einen Monat vorher.«
    Und so kehrte ich in den nächsten beiden Jahren immer wieder nach Cundall zurück und unterrichtete jeweils vor und nach den kurzen Cambridge-Trimestern. Im Sommer fuhr ich den Trecker, der den Mäher ums Cricket-Feld zog, und fungierte als Schiedsrichter. In den Wintermonaten machte ich Spaziergänge mit den Jungs, und an verregneten Sonntagen dachte ich mir Ratespiele und Wettkämpfe aus, um sie zu beschäftigen.
    Es gab für mich nicht die geringsten Zweifel, dass ich Lehrer werden würde. Darin bestand meine wahre Berufung, deren Echo mir im Kopf widerhallte wie das Läuten einer Pausenglocke. Ob ich später an einem Ort wie Cundall lehrte, auf Universitätsniveau oder irgendwo dazwischen, würde allein meine Zeit in Cambridge entscheiden. Wenn ich das intellektuelle Format besaß, die Laufbahn eines Akademikers einzuschlagen, würde ich vielleicht die Gelehrsamkeit zu meinem Lebensinhalt machen. Ich stellte mir vor, dass Studien über Shakespeare mein Metier sein könnten und Tweed wie Briar zu meinen ständigen Requisiten würden.
    Das war eine durchaus angenehme Zukunftsperspektive. Ich hatte die schreckliche Zuckersucht überwunden und damit

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