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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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soll, damit einem keine winzigen Splitter des brennenden Streichholzkopfs ins Gesicht fliegen, aber ich ziehe die schwungvolle Schöpfbewegung nach innen vor, die einem am Ende das flackernde Streichholz direkt vor die Augen bringt.
    Der schweflige Weihrauch kitzelt mir in der Nase, als ich das brennende Zündholz im Winkel über den Pfeifenkopf senke und es dann langsam in die Waagerechte bringe. Jeder Zug saugt die Flamme über den sorgsam vorbereiteten Tabak, der sie mit Zischeln und Köcheln willkommen heißt. Seine feuchte Frische verleiht dem Rauch eine schwere Süße. Wenn schließlich die gesamte Oberfläche glüht und kurz bevor meine Finger angesengt werden, lösche ich mit drei kurzen Drehungen des Handgelenks die Streichholzflamme. Das Hölzchen verursacht ein leises Geräusch, als es auf den Glasaschenbecher trifft. Fast ganz verkohlte Zündhölzer haben sich von jeher als enthüllende Indizien für Columbo und Sherlock erwiesen. »Ein Pfeifenraucher hat diese Tat begangen, Watson, denken Sie an meine Worte …«
    Jetzt paffe ich. Ein, zwei, drei, vier, fünf Züge an der Pfeife, bei denen die Lippen an den Mundwinkeln schmatzen. Jedes tiefe Ansaugen heizt den Kocher weiter auf, so dass ich mir beim sechsten oder siebten Zugdie Lunge ganz füllen kann. Der heiße Rauch durchdringt sofort die Bronchiolen und die Alveolen der Lungen und lässt sein Nikotingeschenk durchs Blut ins Gehirn rauschen. Ein so heftiger Zug kann selbst beim härtestgesottenen Pfeifenraucher zu Schwindelanfällen und Schweißausbrüchen führen. Aber die Wucht tief drinnen, die so wohltuende Anbrandung von Encephalinen und Endorphinen, der dumpfe Schlag, von dem das Nervensystem getroffen wird und auf den betörend elektrisierendes Summen und Surren folgen, wenn der Körper sein Füllhorn an wohltuenden Stoffen in einer konzentrierten Flut ausschüttet – was sind schon Hustenanfälle, Übelkeit, Brennen auf der Zunge und im Mund, bitterer Teer im Speichel und die allmähliche Degeneration der Lungenkapazität gemessen an dieser schwirrend pulsierenden Eruption von Liebe, diesem erderschütternden Freudenausbruch.
    Diese erste Dosis schenkt das Erlebnis, um das es letztlich geht. Von da an besteht die Kunst darin, die Pfeife mit vereinzelten kleinen und sanften Zügen am Erlöschen zu hindern; kleinere Inhalationen wie beim Zigarettenrauchen folgen, bis der zurückgebliebene Pfropfen, der bis dahin als Filter für den darüber gehäuften Tabak gedient hat, von Teer so verschmutzt und kontaminiert ist, dass die Pfeife für tot erklärt werden muss und darauf vorbereitet wird, sich ein weiteres Mal der routinemäßigen Säuberung durch Kratzen und Aufreiben aussetzen zu lassen.
    Ich befinde mich jetzt in der Phase des Schmauchens, zufriedener, als sonst ein Mensch auf diesem Planeten sein kann – geborgen in jener sich selbst genügenden Zufriedenheit, die nur das Rauchen einer Pfeife hervorrufen kann: Pfeifenraucher wirken zufrieden, wissen,dass sie als Verkörperung altmodischer Zufriedenheit wahrgenommen werden, und sind daher auch zufrieden – als mich ein Getrappel über meinem Kopf aufschreckt und aus der Korrektur eines Schulhefts reißt.
    Verdammt noch mal.
    Es war ein Geräusch wie von einer Maus, die sich hinter die Wandtäfelung verirrt hat. Ignorieren kann ich es jedoch nicht.
    Aber nein, ein neues Geräusch, das zweifellos von bloßen Füßen auf den Bodendielen hervorgerufen wird.
    Zorn überflutet mich. Ich bin so erbost wie vorher zufrieden. Wäre ich ein wenig gelassener und durchs Pfeiferauchen selig abgeklärter gewesen, würde ich jetzt nicht derartig wutentbrannt die Treppe hinaufstürmen.
    »Philips! Klar. Wer denn sonst? Genau. Also, was habe ich gesagt? Ich habe gesagt, der nächste Störenfried kann sich auf eine Tracht gefasst machen, und das habe ich auch so gemeint. Nachthemd und Hausschuhe, vor dem Lehrerzimmer.
Sofort!
«
    Als ich nach unten vorausgehe, wird mir langsam die Bedeutung dessen bewusst, was in Kürze geschehen soll. Ich hatte mit einer Tracht gedroht, die in Cundall nicht mit dem Rohrstock verabreicht wurde, nicht mit einem Lineal oder einem Hausschuh, sondern mit einem Tennisschuh. Ich gehe ins Lehrerzimmer. Auf völlig andere Weise als Zigarettenrauch hängt in allen Zimmern Pfeifenrauch in der Luft. Schwere Schwaden riffeln sich zu Wellen, bewegt von der Zugluft bei meinem Eintritt. Ich schließe die Tür. In einem Schrank unter den Ablagefächern der Lehrer finde ich den offiziellen

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