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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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wie das Trinken, der Sport und Sex eine Betätigung, die nicht im Lehrplan stand. Ich weiß, dass an amerikanischen Universitäten viele dieser Betätigungen als »credits«, wie es wohl heißt, auf den Abschluss angerechnet werden. Nicht so in Großbritannien. Es gibt hier zwar Universitäten, die Schauspielkurse anbieten – Manchester und Bristol zum Beispiel. Doch die Mehrzahl tut es nicht, und ganz gewiss nicht Cambridge. Theater und ähnliche Aktivitäten haben nichts mit der akademischen Arbeit zu tun, dazu muss man seine Freizeit opfern. Ergebnis ist, dass solche Unterfangen blühten und gediehen wie nirgends sonst. Hätte ich bei einem Schauspiellehrer vorstellig werden müssen, damit er mich in Theaterstücken besetzte, mich anwies oder mir sagte, wie etwas zu gestalten sei, wäre ich eingegangen wie eine Primel.Das Schöne an unserer Art und Weise bestand darin, dass jeder lernte, indem er etwas tat. Die Schauspieler und Regisseure waren alle Studenten, desgleichen die Beleuchter, die Tonleute, die Bühnenarbeiter, die Kostümbildner, die Inspizienten, der Stab, das Vorderhaus und die Verwaltung. Alle waren Undergraduates, die sich sagten: »Ah, das scheint ja Spaß zu machen.«
    Und auf welche Weise lernten sie? Nun, das ist das Schöne am Universitätsleben. Man lernt durch Tun, und man lernt von denen aus dem zweiten Jahr und aus dem dritten Jahr über einem, die wiederum am Arbeitsplatz und von denjenigen über ihnen gelernt hatten. Mein Gott, aber es ist aufregend. In dem Maße aufregend, wie ich die offizielle Schauspielerausbildung als langweilig, stumpfsinnig, peinlich und erniedrigend empfinden sollte. Man braucht nichts als Enthusiasmus, Leidenschaft, Unermüdlichkeit und den Willen, den Hunger und den Drang, es zu tun. Aber es ist immer noch Platz für den netten Rugbyspieler, der meint, es wäre doch ganz lustig, mal im Chor eines Musicals mitzusingen, oder den nervösen Studiosus, der nichts dagegen hätte, sich auf der Bühne an einem Satz in einer Shakespeare-Tragödie zu versuchen, um nachzuempfinden, wie man ein Theaterstück als Mitwirkender erlebt. Man braucht absolut kein angehender Profi zu sein.
    Woher kam das Geld, um Kulissen zu bauen und Kostüme anzufertigen? Es stammte aus früheren Produktionen. Jeder Drama Club hatte ein Komitee, das meistens aus Zweit- und Drittjährigen bestand, und jemand aus diesem Komitee kümmerte sich um die Etats und das Geld. Man lernte nicht nur, was Theater war, sondern auch, sich über das Komiteeleben zu informieren, über Gewissenhaftigkeit, Buchhaltung und all die Gefahrenund Fallgruben von Business und Management. Manchmal bat man einen Don, im Vorstand eines Clubs zu sitzen, um dabei zu helfen, die Finanzen zu überwachen, aber er besaß nicht mehr Einfluss im Komitee als jedes andere Mitglied auch. The Footlights, so ging das Gerücht, sei der einzige Club in Cambridge, egal in welcher Sparte, der groß und profitabel genug war, um Körperschaftssteuer bezahlen zu müssen. Ich weiß nicht, ob es stimmte, aber die Tatsache, dass ein solches Gerücht umging, sagt viel über den Umfang einiger dieser Unternehmungen aus. Kontinuität hatte großen Anteil daran. Diese Clubs existierten schon so lange, dass es relativ leicht war, sie in Schwung zu halten.
    Travesties
von Tom Stoppard war die erste Aufführung, die ich besuchte. Das in Zürich spielende Stück lässt Lenin, der dort für eine Weile im Exil leben musste, den Dadaisten Tristan Tzara, den Romanautor James Joyce sowie einen englischen Konsul namens Henry Carr, der gerade dabei ist, eine Aufführung von Wildes
Bunbury oder Ernst sein ist alles
auf die Beine zu stellen, in einem heillosen Durcheinander aufeinanderprallen.
    Koregisseurinnen der Aufführung waren Brigid Larmour, heute Intendantin des Watford Palace Theatre, und Anabelle Arden, eine mittlerweile weltweit agierende Opernregisseurin. Zu jener Zeit waren die beiden smarte und extrem motivierte Erstsemester. Der Rest des Ensembles wird mir hoffentlich verzeihen, dass ich hier seinen vortrefflichen Beitrag zum Erfolg des Abends nicht gebührend erwähne. Die Aufführung war in jeder Beziehung exzellent, doch mehr als alles andere beeindruckte mich die Leistung einer der Schauspielerinnen. Die junge Frau, die Gwendolen verkörperte, war auffallend wie eine gute Tat in der bösen Welt.
    Wie Athene schien sie rundherum gerüstet auf die Erde hinuntergestiegen zu sein. Ihre Stimme, ihre Bewegungen, ihre Klarheit, Leichtigkeit,

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