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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Selbstsicherheit, ihr Esprit … also, Sie hätten dabei sein sollen! Sie hätten es mit eigenen Augen sehen sollen. Das Publikum aus seiner Anspannung zu befreien gehört zum Besten, was ein Darsteller auf der Bühne – ob Stand-up-Comedian, Schnulzensänger, Balletttänzer, Charakterdarsteller oder Tragödienschauspieler – erreichen kann. Die Besucher müssen sicher sein, dass alles in Ordnung geht und sie sich in der Gewissheit, dass der Abend kein Desaster wird, unbeschwert zurücklehnen können. Zum Besten zählt aber natürlich auch die Fähigkeit, Gefühle von Erregung, Gefahr, Unvorhersagbarkeit und Instabilität zu wecken, die Zuschauer wissen zu lassen, dass der Abend jeden Moment aus dem Gleis laufen könnte und sie daher auf die Stuhlkante vorrutschen und besonders genau hinsehen sollten. Wenn einem Schauspieler beides zugleich gelingt, ist er etwas Besonderes. Und diese junge Frau war etwas Besonderes. Mittelgroß und mit einem perfekt englischen Gesicht, war sie auf herbe Weise schön, außerordentlich lustig und weit über ihr Alter hinaus imponierend selbstsicher. Ihr Name war, wie ich dem Programm entnahm, Emma Thompson. Während der Pause hörte ich jemanden sagen, sie sei die Tochter von Eric Thompson, der Stimme von
The Magic Roundabout
.
    Schneller Vorlauf bis zum März 1992. Für ihre Rolle als Margaret Schlegel in
Howards End
wird Emma mit dem Academy Award als Beste Schauspielerin ausgezeichnet. Journalisten starten Rundrufe bei alten Freunden, um Stellungnahmen zu sammeln. Nun ist es eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass man auf den Wunschvon Presseleuten, etwas über andere zu sagen, mit keinem einzigen Wort eingeht, es sei denn, die Person hat es vorher mit einem abgeklärt. Will man mit einem Journalisten über sich selbst sprechen, bleibt das natürlich unbenommen, aber über eine dritte Person ohne deren Erlaubnis zu schwadronieren ist wahrhaftig nicht angesagt. Ein beharrlicher Journalist, der bei allen alten Freunden Emmas aufgelaufen war, hat irgendwie die Nummer von Kim Harris herausbekommen.
    »Hallo?«
    »Hi, ich bin von der
Post
. Soweit ich weiß, sind Sie seit Universitätstagen ein alter Freund von Emma Thompson?«
    »Ja-a-a …«
    »Mögen Sie vielleicht etwas zu ihrem Oscar sagen? Sind Sie überrascht? Glauben Sie, dass sie ihn verdient hat?«
    »Ich muss Ihnen ganz unverblümt sagen«, antwortete Kim, »dass ich mich von Emma Thompson betrogen, im Stich gelassen und überaus enttäuscht fühle.«
    Der Journalist lässt fast den Hörer fallen. Kim hört, wie an einem Bleistift genuckelt wird und – wie er später beschwört – Sabbertropfen auf den Teppich fallen.
    »Betrogen? Wirklich? Ja? Sprechen Sie bitte weiter …«
    »Jeder, der Emma Thompson an der Universität erlebt hat«, sagt Kim, »hätte eine beträchtliche Summe darauf verwettet, dass sie vor ihrem dreißigsten Geburtstag einen Oscar kriegt. Jetzt ist sie bereits über dreißig. Was für eine niederschmetternde Enttäuschung.«
    Aber keine so niederschmetternde Enttäuschung wie die des Journalisten, der sekundenlang gedacht hatte, eine Story zu haben. Wie so oft fand Kim die absolutpassenden Worte. Mehr gab es gar nicht zu sagen. Viele Studenten besaßen Talent, manche sogar über die Maßen, und man durfte annehmen, dass sie mit einer Portion Rückenwind, passenden Gegebenheiten und einem gewissen Maß an Anleitung und Weiterentwicklung respektable oder sogar brillante Karrieren vor sich hätten. Emma jedoch brauchte man nur einmal zu sehen, und man wusste sofort. Star. Oscar. Adelsstand. Den Titel anzunehmen bleibt natürlich ihr überlassen, aber anbieten wird man ihn ihr garantiert.
    Nach dem Geschmack von Männern müssen Schauspielerinnen, wenn sie vorzüglich sind, etwas von einem Dummerchen haben, ein wenig unbeholfen sein und auf charmante Weise kindisch. Emma ist zweifellos fähig, logischem Denken mit erfrischend unkonventionellen Empfindungen zu begegnen, aber ein Dummerchen, unbeholfen oder kindisch ist sie wahrlich nicht: Sie besitzt einen sehr scharfen Verstand und ist eine der intelligentesten Personen, die ich kennengelernt habe. Die Tatsache, dass ihr der zweite Oscar, zwei Jahre nach dem ersten, für ein Drehbuch verliehen wurde, verrät Ihnen alles über ihre Fähigkeit, sich zu konzentrieren, zu denken und zu arbeiten. Man gerät leicht in Versuchung, es Menschen anzukreiden, von der Natur mit so vielen Talenten gesegnet zu sein, aber bei ihr trifft man auf eine solche Fülle von

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