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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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hatten. Es passte genau, und wir
    betrachteten das Ergebnis gemeinsam.
    »Was meinst du?« sagte Landen. »Ungefähr fünfundzwanzig?«
    »Vielleicht doch schon etwas älter«, murmelte ich, während
    ich das Amalgam der Frau, die mich umzubringen versucht
    hatte, in meiner Erinnerung zu fixieren versuchte. Sie hatte
    leicht vulgäre Gesichtszüge, trug aber nur wenig Make-up und
    eine asymmetrische blonde Haartolle über der Stirn. Sie sah
    nicht aus wie eine Mörderin. Ich ließ die wenigen konkreten
    Informationen Revue passieren, die mir zur Verfügung standen,
    was nicht sehr lange dauerte. Sie stammten alle aus den gescheiterten Ermittlungen von SO-5: das wiederholte Auftreten des
    Namens Hades, die Initialen A.H. und die Tatsache, dass die
    Zielperson auf Fotos sichtbar war. Bei der jungen Frau handelte
    es sich zwar offensichtlich nicht um Acheron in Verkleidung,
    aber vielleicht –
    »Oh, verdammt!«
    »Was?«
    »Da steckt Hades dahinter.«
    »Das kann nicht sein. Du hast ihn erschossen.«
    »Ja. Acheron hab ich erschossen. Aber er hatte einen Bruder
    mit Namen Styx, und wenn er einen Bruder hatte, warum soll er
    dann nicht auch eine Schwester gehabt haben?«
    Wir warfen uns einen nervösen Blick zu und starrten dann
    wieder auf das Erinnerungsbild vor uns. Jetzt, wo ich sie genauer ansah, schien die junge Frau doch in mancher Hinsicht
    Acheron Hades zu ähneln. Sie war hochgewachsen, und ihre
    Lippen waren genauso dünn. Das allein hätte vielleicht nicht
    viel besagt – schließlich gibt es viele große Leute mit dünnen
    Lippen, und nur die wenigsten davon sind geniale Verbrecher.
    Aber ganz unverkennbar waren die Augen – sie hatten eine
    schwere, düstere Schwärze.
    »Kein Wunder, dass sie sauer auf dich ist«, sagte Landen.
    »Du hast ja ihren Bruder erschossen.«
    »Vielen Dank, Landen, das hilft mir jetzt sehr«, sagte ich.
    »Du verstehst es wirklich, ein Mädchen glücklich zu machen.«
    »Tut mir leid«, sagte er. »Jetzt wissen wir also, dass dieses H
    in A.H. tatsächlich für Hades steht. Aber was bedeutet das A?«
    »Der Acheron ist ein Nebenfluss des Styx«, sagte ich. »Die
    anderen hießen Phlegeton, Cocytus, Lethe – und Aornis.«
    Ich war noch nie so unbefriedigt, ja geradezu deprimiert über
    die Identifizierung eines Verdächtigen gewesen wie diesmal.
    Irgendwas behagte mir nicht. Es war, als liefe im Nebenzimmer
    ein Fernseher: Man hört dramatische Musik, aber man hat
    keine Ahnung, was vorgeht.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Landen und rieb mir die
    Schultern. »Sie hat's ja schon drei Mal vermasselt – wahrscheinlich passiert's überhaupt nie.«
    »Ich glaube, da ist noch etwas, Landen.«
    »Was denn?«
    »Etwas, was ich vergessen habe. Woran ich mich nicht erinnern kann. Es hat mit … Ich weiß nicht, womit es zu tun hat.«
    »Mich zu fragen hat keinen Sinn«, erwiderte Landen. »Ich
    komme dir vielleicht ganz real vor, aber das bin ich leider nicht.
    Ich bin nur als deine Erinnerung an mich da. In meiner jetzigen
    Form kann ich gar nicht mehr wissen als du.«
    Aornis war verschwunden, und auch Landen begann zu
    verblassen.
    »Du musst jetzt gehen«, sagte er mit hohler Stimme. »Und
    denk dran, was ich über Jack Schitt gesagt habe.«
    »Geh noch nicht!« schrie ich. »Ich möchte noch ein bisschen
    bei dir bleiben. Das Leben da draußen macht im Moment nicht
    viel Spaß: Ich glaube, das Kind ist von Miles, Aornis will mich
    umbringen, Goliath und Flanker –«

    Aber es war schon zu spät. Ich war aufgewacht. Ich lag ausgezogen im Bett, die Laken waren zerknüllt und die Uhr sagte mir,
    dass es kurz nach neun war. In trübsinniger Stimmung starrte
    ich an die Decke und fragte mich, wie ich in diese üble Lage
    gekommen war. Hätte ich etwas tun können, um das zu verhindern? Wahrscheinlich nicht, dachte ich. Und das erschien mir
    irgendwie positiv, unlogischerweise.
    Ich zog mir ein T-Shirt an, schlurfte in die Küche, setzte
    Wasser auf und legte Pickwick ein paar getrocknete Aprikosen
    in ihren Fressnapf, nachdem ich zunächst vergeblich versucht
    hatte, sie dafür auf einem Bein stehen zu lassen.
    Vorsichtshalber schüttelte ich das Entroposkop und stellte
    dankbar fest, dass alles normal schien. Ich wollte gerade nach-sehen, ob im Kühlschrank noch frische Milch war, da klingelte
    es an der Tür. Ich ging in den Flur, nahm meine Automatik
    vom Tisch und fragte: »Wer ist da?«
    »Mach auf, Doofus!«
    Ich steckte die Pistole weg und machte die Tür auf.

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