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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Als das Ergebnis verlesen wurde – »Caesar zieht Hispania Ulterior!« -, verzog er das Gesicht. Zu seinem Unglück wurde in jenem weit entfernten Land, das den südlichen und westlichen Teil von Spanien umfasste, gerade kein Krieg geführt: Ihm wäre Africa oder auch Asia wesentlich lieber gewesen, in beiden Provinzen hätte er bei weitem mehr Geld machen können. Allerdings brauchte Cicero ein triumphierendes Lächeln nicht lange zu unterdrücken, denn kurz darauf ging Asia an Quintus, und Cicero war der Erste, der seinem Bruder gratulierte. Wieder einmal ließ er seinen Tränen freien Lauf. Quintus hatte jetzt alle Möglichkeiten, nach seiner Rückkehr aus der Provinz selbst Konsul zu werden. Eine Cicero-Dynastie war im Entstehen, und folglich herrschte bei der abendlichen Feier, zu der auch ich wieder eingeladen war, große Freude. Das Rad des Schicksals sah jetzt Cicero und Caesar an entgegengesetzten Enden, Cicero ganz oben und Caesar ganz unten.
    Normalerweise reisten die neuen Statthalter sofort nach der Verlosung in ihre Provinzen ab: Eigentlich hätten sie schon vor Monaten fahren sollen. Für den Fall, dass sie noch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung benötigt würden, verfügte der Senat jedoch diesmal, dass sie erst nach Abschluss des Verfahrens gegen Clodius Rom verlassen dürften.
    Das Gericht trat im Mai zusammen. Die Anklage wurde von drei jungen Mitgliedern der Cornelius-Lentulus-Familie vertreten – Crus, Marcellinus und Niger, der außerdem Oberpriester des Mars war. Alle drei waren erbitterte Feinde der Claudier und hegten gegen Clodius einen besonderen Groll, da er mehrere ihrer weiblichen Familienmitglieder verführt hatte. Zu seinem Hauptverteidiger hatte sich Clodius den ehemaligen Konsul Gaius Scribonius Curio erkoren, der der Vater eines seiner engsten Freunde war. Curio
hatte sein Vermögen im Osten gemacht, als Soldat unter Sulla, aber er war ziemlich schwer von Begriff, und auch sein Gedächtnis ließ zu wünschen übrig. Die Angewohnheit, beim Reden wild mit den Armen in der Luft herumzufuchteln, hatte ihm den Spitznamen »Der Fliegenfänger« eingebracht. Per Losentscheid war ein Geschworenengericht von sechsundfünfzig Bürgern bestimmt worden. Darunter waren Personen jeglichen Charakters und aus allen Schichten, vom patrizischen Senator bis zu zwielichtigen Gestalten wie Talna und Spongia. Von den ursprünglich achtzig Geschworenen durften Verteidigung wie Anklage je zwölf ablehnen, was sie auch schnell taten. Die Verteidigung lehnte die Ehrbaren ab, die Anklage die Schlägerfiguren. Jene, die die Auslese überstanden hatten, schienen sich nicht sonderlich wohl in ihrer Haut zu fühlen.
    Ein Sexskandal zieht die Massen immer an, und ein Sexskandal, in den die herrschenden Klassen verwickelt sind, sorgt für einen Kitzel, der jedes Maß übersteigt. Damit alle Zuschauer Platz fanden, musste der Prozess vor dem Tempel des Castor stattfinden. Für die Senatoren war ein separater Bereich mit Sitzplätzen errichtet worden, wo Cicero am Eröffnungstag neben Hortensius Platz nahm. Um nicht aussagen zu müssen, hatte Caesars geschiedene Frau Rom klugerweise verlassen. Die Mutter des Pontifex Maximus, Aurelia, und seine Schwester Julia hatten sich jedoch beide als Zeuginnen angeboten und identifizierten Clodius als den Mann, der die heiligen Riten gestört hatte. Vor allem Aurelia hinterließ einen nachhaltigen Eindruck, als sie ihren Finger wie einen Zeigestock ausstreckte, auf den höchstens drei Schritte von ihr entfernt sitzenden Angeklagten deutete und mit unerbittlicher Stimme darauf bestand, dass die Bona Dea durch sein Exil besänftigt werden müsse, sonst werde großes Unheil über die Stadt kommen. Das war der erste Tag.
    Am zweiten Tag trat Caesar selbst in den Zeugenstand,
und wieder einmal stachen mir die Ähnlichkeiten zwischen Mutter und Sohn ins Auge – zäh und drahtig und über bloße Arroganz hinaus in einem Ausmaß selbstsicher, dass sie schließlich keinen Unterschied mehr zwischen Aristokraten und Plebejern machten – die beiden hielten sie alle für nicht ebenbürtig. (Deshalb war er meiner Meinung nach immer so beliebt bei den Menschen: Er war allen viel zu überlegen, um ein Schnösel zu sein.) Er sagte aus, er könne über jenen Abend keine Angaben machen, da er ja nicht anwesend gewesen sei. Er fügte hinzu, in sehr kühlem Ton, dass er Clodius nicht böse sein könne, weil er keine Ahnung habe, ob er schuldig sei oder nicht. Während

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