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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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das sich nicht an seinen Errungenschaften ergötzte, sondern an einem jungen Mann in Frauenkleidern.
    Als die Volksversammlung gnädigerweise vorüber war, geleitete Cicero Pompeius über den Circus Flaminius zum Tempel der Bellona, wo sich der Senat einzig zum Zweck seiner Begrüßung versammelt hatte. Respektvoller Beifall hieß ihn willkommen, dann setzte er sich neben Cicero in die erste Bank und wartete auf den Beginn der Lobpreisungen. Doch stattdessen wurde er von den Rednern erneut zu seinem Standpunkt in der Sache Bona Dea befragt. Er wiederholte, was er eben erst draußen gesagt hatte, und als er sich wieder setzte, sah ich, dass er sich verärgert Cicero zuwandte und diesem etwas zuflüsterte. (Seine genauen Worte waren, wie Cicero mir später sagte: »Hoffentlich können wir jetzt mal über etwas anderes reden.«) Währenddessen behielt ich die ganze Zeit auch Crassus im Auge, der auf seiner Bank vorgerutscht war und nur darauf wartete, bei erstbester Gelegenheit aufzuspringen. Seine offenkundige Entschlossenheit, sich zu Wort zu melden, und sein zufrieden verschlagener Gesichtsausdruck gefielen mir gar nicht.
    »Was ist es doch für ein herrlicher Augenblick«, sagte er, als ihm schließlich das Wort erteilt worden war, »hier unter diesem geheiligten Dach den Mann unter uns zu haben, der unser Reich ausgedehnt hat, und direkt neben ihm den Mann, der unsere Republik gerettet hat. Den Göttern sei Dank, dass sie uns dies erleben lassen. Pompeius stand mit seiner Armee bereit, um dem Vaterland zu Hilfe zu eilen, falls dies nötig gewesen wäre, doch blieb ihm diese Pflicht erspart, weil wir zu jener Zeit mit einem weisen und vorausschauenden Konsul gesegnet waren. Ich hoffe, ich schmälere nicht deine Größe, Pompeius, wenn ich sage, dass ich meine Stellung als Senator und als Bürger Cicero verdanke, dass ich ihm meine Freiheit und mein Leben verdanke. Wann immer ich auf meine Frau und meine Kinder blicke oder auf die Stadt meiner Geburt, dann sehe ich ein Geschenk, das mir von Cicero gewährt wurde …«
    Es gab eine Zeit, da hätte Cicero diese offensichtliche Falle aus einer Meile Entfernung erkannt. Aber ich fürchte, alle Menschen, die das Ziel ihres Lebens erreicht haben, wandeln auf einem schmalen Grat zwischen Würde und Eitelkeit, Selbstvertrauen und Verblendung, Ruhm und Selbstzerstörung. Anstatt auf seinem Platz zu verharren und die Huldigungen demütig zurückzuweisen, erhob sich Cicero und hielt eine lange Rede, in deren Verlauf er Crassus in jeder Hinsicht Recht gab – während Pompeius vor Neid und Missgunst kochend neben ihm saß. Ich beobachtete das Schauspiel von der Tür aus und wäre am liebsten losgerannt und hätte ihm ins Gesicht geschrien, dass er aufhören solle, vor allem als Crassus sich ein zweites Mal erhob und ihn fragte, ob er, Vater des Vaterlandes, in Clodius einen zweiten Catilina sehe.
    »Wie sollte ich nicht?«, erwiderte Cicero, der unfähig war, der Versuchung zu widerstehen, vor Pompeius die glorreichen Tage seiner Herrschaft im Senat wieder aufleben zu
lassen. »Wenn doch die gleichen verkommenen Kreaturen, die dem einen nachliefen, sich nun um den anderen scharen und Tag für Tag mit der genau gleichen Strategie vorgehen? Einigkeit, ehrwürdige Senatoren, ist unsere einzige Hoffnung auf Rettung, heute wie damals, Einigkeit zwischen Senat und Ritterstand, Einigkeit zwischen allen Schichten; Einigkeit überall in Italien. Wenn wir die wunderbare Eintracht aus den Zeiten meines Konsulats wieder aufleben lassen, dann brauchen wir vor nichts Angst zu haben, der Geist, der Sergius Catilina verjagt hat, wird nämlich ganz gewiss auch seinen Bastard verjagen.«
    Der Senat jubelte, und Crassus setzte sich wieder auf seine Bank – strahlend über eine bestens erledigte Arbeit, denn natürlich verbreiteten sich Ciceros Worte sofort in ganz Rom, und natürlich kamen sie auch sehr schnell Clodius zu Ohren. Nach dem Ende der Sitzung machten wir uns, Cicero, sein Gefolge und ich, auf den Weg nach Hause, wurden aber auf dem Forum von Clodius und einigen seiner Anhänger abgefangen. Sie versperrten uns den Weg, und ich rechnete schon fest mit ein paar eingeschlagenen Schädeln. Aber Cicero blieb ruhig. Er befahl uns, stehen zu bleiben, und rief: »Provoziert sie nicht! Gebt ihnen keinen Grund, eine Schlägerei anzuzetteln!« Dann wandte er sich an Clodius und sagte: »Du hättest lieber meinen Rat befolgen und ins Exil gehen sollen. Der Weg, den du jetzt eingeschlagen hast,

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