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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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seiner Aussage schaute er Clodius jedoch kein einziges Mal an. Es war nicht zu übersehen, dass er ihn verachtete. Was seine Scheidung angehe, da könne er nur wiederholen, was er schon im Senat zu Cicero gesagt habe: Er habe Pompeia nicht deshalb verlassen, weil er sie zwangsläufig für schuldig halte, sondern weil als Frau des Pontifex Maximus nicht der Hauch eines Verdachts auf sie fallen dürfe. Da jedermann in Rom um Caesars eigenen Ruf wusste, nicht zuletzt um sein Verhältnis mit Pompeius’ Frau, rief dieses Paradebeispiel an Spitzfindigkeit anhaltendes und höhnisches Gelächter hervor, das er hinter der üblichen Maske aus äußerster Gleichgültigkeit über sich ergehen ließ. Er beendete seine Zeugenaussage und schritt zu seinem Platz zurück, zufälligerweise genau in dem Augenblick, als Cicero sich erhob, um das Gericht zu verlassen. Sie gingen dicht aneinander vorbei, so dass sich ein wenn auch kurzes Gespräch nicht vermeiden ließ.
    »Nun, Caesar, du bist bestimmt froh, das alles hinter dir zu haben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich nehme doch an, dass das Ganze ziemlich peinlich für dich war.«
    »Mir ist nie etwas peinlich. Aber es stimmt, ich bin wirklich
froh, dass diese absurde Affäre nun erledigt ist, jetzt kann ich mich endlich auf den Weg nach Spanien machen.«
    »Wann willst du die Stadt verlassen?«
    »Heute Abend.«
    »Ich dachte, der Senat hat den neuen Provinzstatthaltern untersagt, Rom vor Prozessende zu verlassen?«
    »Das ist wahr, aber ich habe keine Zeit zu verlieren. Die Geldverleiher sitzen mir im Nacken. Ich muss irgendwie fünfundzwanzig Millionen Sesterze auftreiben, damit ich wenigstens keine Schulden mehr habe.« Er zuckte mit den Achseln – es war das Achselzucken eines Spielers, ich weiß noch, dass er einen ziemlich unbekümmerten Eindruck machte. Dann schlenderte er in Richtung seines Amtssitzes davon. Eine Stunde später hatte er, begleitet von einem kleinen Gefolge, Rom den Rücken gekehrt. Die Bürgschaft für seine Schulden hatte er Crassus’ Obhut überlassen.
    Auch wenn Caesars Zeugenaussage schon einen hohen Unterhaltungswert gehabt hatte, den eigentlichen Höhepunkt von Clodius’ Prozess bildete am dritten Tag der Auftritt von Lucullus. Es heißt, dass am Eingang des Apollotempels in Delphi dreierlei geschrieben steht: »Erkenne dich selbst«, »Nichts im Übermaß« und »Gehe nie vor Gericht«. Hat je ein Mann derart mutwillig diese Prinzipien missachtet wie Lucullus in dieser Affäre? Er vergaß seinen Ruf als Kriegsheld, stieg zitternd vor Gier nach Clodius’ Vernichtung auf das Podium und schilderte schon Augenblicke später, wie er seine Frau mit ihrem Bruder im Bett erwischt habe, als dieser vor über zehn Jahren in seinem Haus in der Bucht von Neapel zu Gast gewesen sei. Damals hätte er die beiden schon viele Wochen beobachtet, sagte Lucullus, wie sie ihn zum Narren gehalten und sich, wenn sie sich unbeobachtet glaubten, berührt und miteinander getuschelt hätten. Er sagte, dass er die Dienerinnen seiner Frau angewiesen habe, ihm jeden Morgen ihre Bettwäsche zur Begutachtung zu
bringen und ihm alles zu berichten, was sie gesehen hätten. Diese weiblichen Sklaven, sechs insgesamt, hatte er vorgeladen, und als sie nervös und mit gesenktem Blick vor das Gericht traten, sah ich, dass eine davon meine geliebte Agathe war, deren Bild mir seit jenem Tag vor zwei Jahren nie mehr aus dem Kopf gegangen war.
    Unterwürfig standen sie da, während ihre Aussagen verlesen wurden. Ich stellte alles Mögliche an, damit Agathe den Blick hob und in meine Richtung schaute. Ich winkte. Ich pfiff sogar. Die Leute um mich herum müssen mich für verrückt gehalten haben. Schließlich hielt ich sogar die Hände wie einen Trichter vor den Mund und rief laut ihren Namen. Darauf hob sie den Kopf, aber es drängten sich so viele tausend Zuschauer auf dem Forum, es herrschte solch ein Lärm, und die Sonne schien derart grell, dass sie mich kaum gesehen haben dürfte. Ich versuchte, mich durch die Menge nach vorn zu kämpfen, aber die Menschen hatten stundenlang gewartet, um einen guten Platz zu bekommen, und weigerten sich schlicht, mich durchzulassen. Mir brach es fast das Herz, als Clodius’ Anwalt verkündete, dass er auf eine Befragung der Zeuginnen verzichte, da ihre Aussagen für den Fall nicht relevant seien, und die Mädchen wieder vom Podium geschickt wurden. Agathe und die anderen drehten sich um, verließen das Podium und verschwanden aus meinem

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