02 - Winnetou II
Lasso in Old Deaths Hand und sagte:
„Turnt euch an dem Riemen empor, zweimal so hoch, wie ein Mann ist. Dort werdet ihr Sträucher finden und hinter ihnen den Weg, von welchem ich euch gesagt habe. Ich kann nicht mit hinauf, sondern muß zu meinen Kriegern.“
Er nahm etwas da am Felsen Lehnendes mit sich. Es war seine Büchse.
„Hm!“ brummte der Scout. „An so einem dünnen Lasso zwölf Fuß empor zu kriechen! Ich bin doch kein Affe, der gelernt hat, zwischen Lianen herum zu klettern. Wollen es versuchen.“
Es gelang ihm doch. Ich folgte ihm, und auch die anderen kamen nach, freilich nur mit Schwierigkeit. Der Felsen trug da einen Baum, um dessen Stamm der Lasso geschlungen war. Daneben standen Sträucher, welche den Steig verdeckten. Da es so dunkel war, daß wir uns anstatt der Augen des Gefühles oder vielmehr des Tastsinnes bedienen mußten, tappten wir uns mit Hilfe der Hände eine kleine Strecke fort, bis Old Death stehen blieb. An den Felsen gelehnt, warteten wir nun, was kommen werde. Mir schien es, als ob die Stille des Todes auf dem Tal liege. So sehr ich mein Ohr anstrengte, ich konnte nichts hören, als ein leises Schnüffeln, welches aus der Nase Old Deaths kam.
„Dumme Kerle, die Comanchen! Meint Ihr nicht, Sir?“ sagte er. „Da drüben rechts riecht es nach Pferden, nach Pferden, welche sich bewegen. Das ist nämlich etwas ganz anderes als Pferde, welche unbeweglich stehen. Über stillstehenden Pferden liegt der Geruch dick und unbeweglich; man kann die Nase, sozusagen, hineinstoßen. Sobald aber die Pferde sich bewegen, kommt auch er in Bewegung, wird feiner und flüssiger und leicht davongetragen. So unglaublich es klingen mag, der Westmann merkt aus der Dichtheit oder Dünne dieses Geruches, ob er stehende oder laufende Pferde vor sich hat. Natürlich ruhige Luft vorausgesetzt. Jetzt kommen nun von da rechts solche leichte Pferdelüftchen herüber, und meinen alten Ohren war es auch, als ob sie das Stolpern eines Pferdehufes vernommen hätten, leicht und dumpf wie auf Grasboden. Ich kalkuliere, daß die Comanchen jetzt sich leise nach dem Eingang hinziehen, um da durchzubrechen.“
Da hörten wir eine helle Stimme rufen:
„Ntsa-ho!“
Dieses Wort bedeutet ‚Jetzt‘. Im Augenblick darauf krachten zwei Schüsse – Winnetous Silberbüchse. Revolverschüsse folgten. Ein unbeschreibliches Geheul erscholl zu uns herauf. Wilde Indianerrufe schrillten über das Tal; Tomahawks klirrten. Der Kampf war ausgebrochen.
Er währte nicht lange. Durch das Schnauben und Wiehern der Pferde und das Wutgeschrei der Comanchen brach sich das siegreiche „Iwiwiwiwiwi“ der Apachen Bahn. Wir hörten, daß die ersteren sich in wilder Flucht zurückzogen. Ihre Schritte und das Stampfen ihrer Pferde entfernten sich nach der Mitte des Tales hin.
„Habe ich es nicht gesagt!“ meinte Old Death. „Eigentlich hätte man mit losschlagen sollen. Die Apachen halten sich wundervoll. Sie schießen ihre Pfeile und stechen mit ihren Lanzen aus sicheren Verstecken hervor. Die Comanchen sind dicht gedrängt, so daß jeder Pfeil, jeder Speer, jede Kugel Winnetous treffen muß. Und nun, da die Feinde sich zurückziehen, sind die Apachen klug genug, ihnen nicht zu folgen. Sie bleiben in ihrer Deckung, denn sie wissen, daß die Comanchen ihnen nicht entgehen können. Warum also sich in das Tal wagen!“
Auch in der Beziehung befolgten die Comanchen jetzt Old Deaths Rat, daß sie sich nach dem Mißerfolg ruhig verhielten. Ihr Geheul war verstummt, und da das Feuer nicht mehr brannte, ließen sie ihre Gegner über ihre Bewegungen im unklaren. Wir warteten noch eine Weile. Es wollte sich nichts Neues begeben. Da hörten wir unter uns Winnetous gedämpfte Stimme:
„Meine weißen Brüder können wieder herabkommen. Der Kampf ist vorüber und wird auch nicht wieder losbrechen.“
Wir kehrten zu dem Lasso zurück und ließen uns an demselben hinab. Unten stand der Häuptling, mit dem wir uns wieder hinaus zu dem Feuer begaben.
„Die Comanchen versuchten es jetzt auf der andern Seite“, sagte er. „Es ist ihnen ebensowenig geglückt. Sie werden von neuem bewacht und können nichts unternehmen, ohne daß Winnetou es erfährt. Die Apachen sind ihnen gefolgt und liegen in einer langen Linie, welche von einer Seite des Tales bis zur anderen reicht, im Grase, um alles scharf zu beobachten.“
Während er das sagte, hielt er den Kopf nach der rechten Seite geneigt, als ob er auf etwas horche. Dann sprang er auf, so
Weitere Kostenlose Bücher