02 - Winnetou II
glaubte, die Comanchen würden mir einen Unterhändler senden. Da sie es nicht tun, brauchte ich kein Erbarmen mit ihnen zu haben, aber dennoch will ich ihnen einen Mann senden, welcher mit ihnen reden soll.“
„Das freut mich ungemein“, rief Old Death. „Ich hätte diesen Ort in sehr trüber Stimmung verlassen, wenn alle diese Leute ohne einen Versuch, sie zu retten, getötet worden wären. Ich trage ja auch einen Teil der Schuld, daß sie in deine Hände geraten sind.“
„Von diesem Vorwurf kann ich dich befreien, denn ich hätte sie auch ohne deine Beihilfe besiegt“, entgegnete Winnetou.
„Aber weißt du auch, daß noch Hunderte von ihnen nachkommen?“
„Winnetou weiß es. Er hat ja mit dem ‚Guten Manne‘ zwischen ihnen hindurchzuschleichen gehabt. Es sind nur hundert. Ich werde sie in eben demselben Tal einschließen und vernichten wie die andern, wenn sie sich nicht freiwillig ergeben.“
„So siehe zu, daß sie nicht zu zeitig kommen. Du mußt mit denen, welche sich hier befinden, fertig sein, ehe die übrigen hier eintreffen.“
„Winnetou fürchtet sich auf keinen Fall. Doch wird er sich beeilen.“
„Hast du einen Mann, welcher die Verhandlung mit den Comanchen führen kann?“
„Ich habe ihrer viele; aber am liebsten wäre es mir, wenn mein Bruder das tun wollte.“
„Das übernehme ich sehr gern. Ich gehe eine kurze Strecke vor und rufe ihren Häuptling zu mir. Welche Bedingungen stellst du ihnen?“
„Sie sollen uns für jeden Getöteten fünf, für jeden Gemarterten aber zehn Pferde geben.“
„Das ist sehr billig, aber seit es keine großen Herden wilder Pferde mehr gibt, ist ein Pferd nicht leicht zu erlangen.“
„Was sie uns sonst an Eigentum geraubt, verlangen wir zurück. Ferner haben sie uns so viele junge Mädchen auszuliefern, wie sie uns Frauen und Töchter raubten. Frauen der Comanchen mögen wir nicht. Dazu verlangen wir auch die Kinder zurück, welche sie fortgeführt haben. Hältst du das für hart?“
„Nein.“
„Endlich verlangen wir, daß ein Ort bestimmt werde, an welchem die Häuptlinge der Apachen und Comanchen sich versammeln, um einen Frieden zu beraten, welcher wenigstens dreißig Sommer und Winter währen soll.“
„Wenn sie darauf eingehen, werde ich sie beglückwünschen.“
„Dieser Ort soll das Tal sein, in welchem sich jetzt ihre Krieger hier befinden. Hierher soll auch alles gebracht werden, was sie uns auszuliefern haben. Bis alles geschehen ist, was ich von ihnen fordere, bleiben die Comanchen, welche sich heute ergeben müssen, unsere Gefangenen.“
„Ich finde, daß deine Forderung nicht zu hoch ist, und werde sie ihnen sofort übermitteln.“
Er warf sein Gewehr über und schnitt sich einen Zweig ab, welcher als Parlamentärzeichen dienen sollte. Dann verschwand er mit dem Häuptling in der Enge. Es war für ihn keineswegs ohne Gefahr, sich jetzt den Comanchen zu nähern; aber der Alte kannte eben keine Angst.
Als Winnetou sich überzeugt hatte, daß der Scout sich mit dem Anführer der Comanchen in Unterredung befand, kehrte er zu uns zurück und führte uns zu den zuletzt angekommenen Pferden. Es waren auch ledige dabei gewesen, teils von einer besseren Sorte, welche man schonen und nur dann in Gebrauch nehmen wollte, wenn es darauf ankam, eine ungewöhnliche Leistung zu entwickeln, teils aber auch Tiere von gewöhnlicher Güte, welche als Reservepferde mitgeführt werden mußten.
„Ich habe meinen Brüdern versprochen, ihnen bessere Pferde zu geben“, sagte er. „Ich werde sie ihnen jetzt aussuchen. Mein weißer Bruder soll eines meiner eigenen Rosse erhalten.“
Er suchte fünf Pferde aus. Ich war ganz entzückt über das prächtige Tier, welches er mir brachte. Auch die beiden Langes und Sam waren ganz entzückt. Der letztere zeigte alle Zähne und rief:
„Oh, oh, welch ein Pferd Sam bekommen! Sein schwarz wie Sam und sein auch prachtvoll ganz wie Sam. Passen sehr gut zusammen, Pferd und Sam. Oh, oh!“
Wohl dreiviertel Stunden waren vergangen, als Old Death zurückkehrte. Sein Angesicht war sehr ernst. Ich hatte die feste Überzeugung gehabt, daß die Comanchen auf die Forderungen Winnetous eingehen würden, doch ließ das Gesicht des Scout das Gegenteil erwarten.
„Mein Bruder hat mir das zu sagen, was ich vermutete“, sagte Winnetou. „Die Comanchen wollen nicht, was ich will.“
„So ist es leider.“
„Der große Geist hat sie mit Taubheit geschlagen, um sie für das zu strafen, was sie taten; er
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