02 - Winnetou II
und meinen Medizinbeutel, also ist das, was du sagst, grad so, als ob es meine Worte seien. Darum darf ich dir nicht die Antwort geben, welche ich dir geben möchte. Dein Rat taugt nichts. Du hast damit die Absicht, uns in die Hände der Apachen zu bringen. Wir werden nun selbst wissen, was wir zu tun haben.“
„Nun, wenn ihr das wißt, warum willst du dann meinen Rat haben? Wir sind fertig und haben nichts mehr zu besprechen.“
„Ja, wir sind fertig“, stimmte der Comanche bei. „Aber bedenke wohl, daß du trotz des Schutzes, unter welchem du jetzt noch stehst, unser Feind bist. Du darfst mein Calumet und meine Medizin nicht behalten. Du wirst sie hergeben müssen, ehe wir diesen Ort verlassen, und dann wird alles über dich kommen, was du veranlaßt hast.“
„Well! Ich bin einverstanden. Was über mich kommen soll, erwarte ich mit großer Ruhe. Du hast Old Death gedroht. Ich wiederhole, daß wir miteinander fertig sind, und du kannst gehen.“
„Uff!“ stieß der Häuptling wild hervor. Dann wendete er sich ab und kehrte gemessenen Schrittes nach dem Feuer zurück.
„Diese Kerls sind wirklich wie vor den Kopf geschlagen“, zürnte Old Death hinter ihm her. „Sie können sich wirklich nur dadurch retten, daß sie um Frieden bitten. Anstatt dies zu tun, bauen sie noch immer auf ihre Überzahl. Aber wie die Verhältnisse jetzt liegen, ist Winnetou allein für hundert Mann zu rechnen. Das werdet Ihr nicht glauben, weil ihr ein Neuling im wilden Westen seid und also gar nicht ahnt, was unter Umständen ein einziger tüchtiger Kerl zu bedeuten hat. Ihr solltet zum Beispiel nur wissen, was dieser junge Apache mit seinem weißen Freunde Old Shatterhand ausgeführt hat. Habe ich Euch schon davon erzählt?“
Er nannte meinen Namen jetzt zum erstenmal.
„Nein“, antwortete ich. „Wer ist dieser Old Shatterhand?“
„Ein grad so junger Mann, aber doch ein ganz anderer Kerl als Ihr. Schlägt alle Feinde mit der Faust zu Boden, schießt mit dem Teufel um die Wette und ist ein Pfiffikus, an den kein anderer kommt.“
Da raschelte es leise hinter uns, und eine unterdrückte Stimme sagte:
„Uff! Old Death hier? Das habe ich nicht gewußt. Wie freu' ich mich darüber!“
Der Alte drehte sich erschrocken um, zog sein Messer schnell und fragte:
„Wer ist da? Wer wagt es, uns hier zu belauschen?“
„Mein alter, weißer Bruder mag das Messer in seinem Gürtel lassen; er wird doch Winnetou nicht stechen wollen!“
„Winnetou? Alle Teufel! Allerdings nur Winnetou konnte es fertig bringen, sich hinter Old Death zu schleichen, ohne von ihm bemerkt zu werden. Das ist ein Meisterstück, welches ich mir nicht getraue nachzumachen!“
Der Apache kam vollends herangekrochen und antwortete, ohne sich merken zu lassen, daß er mich kannte: „Der Häuptling der Apachen hat keine Ahnung davon gehabt, daß Old Death hier ist, sonst hätte er sich schon eher zu ihm geschlichen und mit ihm gesprochen.“
„Aber du begibst dich ja in eine ganz außerordentliche Gefahr! Du hast dich durch die Posten und dann noch bis hierher schleichen müssen und mußt auch wieder zurück.“
„Nein, das habe ich nicht. Die Bleichgesichter sind meine Freunde, und ich kann ihnen mein Vertrauen schenken. Dieses Tal liegt im Gebiet der Apachen, und Winnetou hat es zu einer Falle eingerichtet für Feinde, welche etwa bei uns eindringen wollen. Diese Felswände sind nicht so unwegbar wie es scheint. Die Apachen haben einen schmalen Pfad angelegt, welcher in der Höhe mehrerer Männer rund um das Tal läuft. Durch einen Lasso kommt man leicht hinauf und wieder herab. Die Comanchen sind durch meine Kundschafter in diese Falle gelockt worden und sollen darin untergehen.“
„Ist ihr Tod denn wirklich beschlossen?“
„Ja. Winnetou hat dein Gespräch mit dem Häuptling gehört und aus demselben ersehen, daß du dich zur Seite der Apachen neigst. Du hast gesagt, was die Comanchen an uns verbrochen haben, und gibst es zu, daß wir diesen vielfältigen Mord zu rächen haben.“
„Aber müssen deswegen Ströme Blutes fließen?“
„Du hast selbst gehört, daß die Comanchen weder ihre Sünde bekennen, noch das tun wollen, was du ihnen rietest und was die Klugheit ihnen gebietet. So mag nun ihr Blut über sie selbst kommen. Die Apachen werden ein Beispiel geben, wie sie den Verrat zu bestrafen wissen. Das müssen sie tun, um vor Wiederholungen sicher zu sein.“
„Es ist grauenhaft! Doch fühle ich keinen Beruf, meinen Rat abermals
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