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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hin.
    Expedition und Redaktion befanden sich in demselben Hause. Zu der ersteren kaufte ich mir ein Exemplar und ließ mich sodann bei der Redaktion melden, wo ich erfuhr, daß ich sehr richtig vermutet hatte. Ein gewisser William Ohlert hatte das Gedicht am Tage vorher persönlich gebracht und um schleunige Aufnahme gebeten. Da das Verhalten des Redakteurs ablehnend gewesen war, so hatte der Dichter zehn Dollars deponiert und die Bedingung gestellt, daß es in der heutigen Nummer erscheine und ihm die Revision zuzuschicken sei. Sein Benehmen sei sehr anständig gewesen, doch habe er ein wenig verstört drein geschaut und wiederholt erklärt, daß das Gedicht mit seinem Herzblut geschrieben sei – übrigens eine Redensart, deren sich begabte und unbegabte Dichter und Schriftsteller gern zu bedienen pflegen. Wegen der Zusendung der Revision hatte er seine Adresse angeben müssen, und ich erfuhr dieselbe natürlich. Er wohnte oder hatte gewohnt in einem als fein und teuer bekannten Privatkosthaus in einer Straße des neueren Stadtteiles.
    Dorthin verfügte ich mich, nachdem ich mich in meiner Wohnung unkenntlich gemacht hatte, was mir nach meiner Ansicht sehr gut gelang. Dann holte ich mir zwei Polizisten, welche sich vor der Tür des gedachten Hauses aufstellen sollten, während ich mich im Innern befand.
    Ich war so ziemlich überzeugt, daß mir die Festnahme des gesuchten Spitzbuben und seines Opfers gelingen werde, und in ziemlich gehobener Stimmung zog ich die Hausglocke, über welcher auf einem Messingschild zu lesen war: ‚First class pension for Ladies and Gentlemen.‘ Ich befand mich also am richtigen Ort. Haus und Geschäft waren Eigentum einer Dame. Der Portier öffnete, fragte mich nach meinem Begehr und erhielt den Auftrag, mich bei der Dame zu melden; auch übergab ich ihm eine Visitenkarte, welche auf einen andern Namen lautete als den meinigen. Ich wurde in das Parlour geführt und hatte nicht lange auf die Lady zu warten.
    Sie war eine fein gekleidete, behäbig aussehende Dame von ungefähr fünfzig Jahren. Wie es schien, hatte sie einen kleinen Rest von schwarzem Blut in ihren Adern, wie ihr gekräuseltes Haar und eine leichte Färbung ihrer Nägel vermuten ließen. Sie machte den Eindruck einer Frau von Gemüt und empfing mich mit großer Höflichkeit.
    Ich stellte mich ihr als den Feuilletonredakteur der ‚Deutschen Zeitung‘ vor, zeigte ihr das betreffende Blatt und gab an, daß ich den Verfasser dieses Gedichtes sprechen müsse; dasselbe habe solchen Anklang gefunden, daß ich ihm Honorar und neue Aufträge bringe.
    Sie hörte mir ruhig zu, betrachtete mich aufmerksam und sagte dann:
    „Also ein Gedicht hat der Herr bei Ihnen drucken lassen? Wie hübsch! Schade, daß ich nicht Deutsch verstehe, sonst würde ich Sie bitten, es mir vorzulesen. Ist es gut?“
    „Ausgezeichnet! Ich hatte bereits die Ehre, Ihnen zu sagen, daß es sehr gefallen habe.“
    „Das ist mir von größtem Interesse. Dieser Herr hat den Eindruck eines fein gebildeten Mannes, eines wahrhaften Gentlemen auf mich gemacht. Leider sprach er nicht viel und verkehrte mit niemand. Er ist nur ein einziges Mal ausgegangen, jedenfalls als er Ihnen das Gedicht brachte.“
    „Wirklich? Ich entnahm aus der kurzen Unterhaltung, welche ich mit ihm hatte, daß er hier Gelder erhoben habe. Er muß also öfters ausgegangen sein.“
    „So ist es während meiner Abwesenheit vom Hause geschehen, vielleicht auch hat sein Sekretär diese geschäftlichen Dinge abgemacht.“
    „Er hat einen Sekretär? Davon sprach er nicht. Er muß also ein wohlsituierter Herr sein.“
    „Gewiß! Er zahlte gut und speiste auf das feinste. Sein Sekretär, Master Clinton, führte die Kasse.“
    „Clinton! Ah, wenn dieser Sekretär Clinton heißt, so muß ich ihn im Klub getroffen haben. Er stammt aus New York oder kommt wenigstens von dort und ist ein vorzüglicher Gesellschafter. Wir trafen uns gestern zur Mittagszeit –“
    „Das stimmt“, fiel sie ein. „Da war er ausgegangen.“
    „Und fanden“, fuhr ich fort, „ein solches Wohlgefallen aneinander, daß er mir seine Photographie verehrte. Die meinige hatte ich nicht bei mir, mußte sie ihm aber bestimmt versprechen, da wir uns heute wieder treffen wollen. Hier ist sie.“ Und ich zeigte ihr Gibsons Bild, welches ich immer bei mir trug.
    „Richtig, das ist der Sekretär“, sagte sie, als sie einen Blick darauf geworfen hatte. „Leider werden Sie ihn nicht so bald wieder sehen, und von Master

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