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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Restaurants und Tavernen blickend, bis in die späte Nacht hinein die Straßen. Dann, als ich mich gar zu ermüdet fühlte, ging ich nach meinem Lodging-House und legte mich nieder.
    Der Traum versetzte mich in ein Irrenhaus. Hunderte von Wahnsinnigen, welche sich für Dichter hielten, streckten mir ihre dickleibigen Manuskripte entgegen, welche ich durchlesen sollte. Natürlich waren es lauter Tragödien, welche einen verrückten Dichter zum Haupthelden hatten. Ich mußte lesen und lesen, denn Gibson stand mit dem Revolver neben mir und drohte, mich sofort zu erschießen, wenn ich nur einen Augenblick pausiere. Ich las und las, daß mir der Schweiß von der Stirn lief. Um denselben abzutrocknen, zog ich mein Taschentuch, hielt eine Sekunde lang inne und – wurde von Gibson erschossen!
    Das Krachen des Schusses weckte mich, denn es war nicht ein vermeintliches, sondern ein wirkliches Krachen gewesen. Ich hatte mich vor Aufregung im Bette hin und her geworfen und in der Absicht, Gibson den Revolver aus der Hand zu schmettern, die Lampe von dem Kammerdiener, einem kleinen, hart am Bette stehenden Tischchen, geschlagen. Sie wurde mir am Morgen mit nur acht Dollars angerechnet.
    Vollständig in Schweiß gebadet, erwachte ich. Ich trank meinen Tee und fuhr dann hinaus nach dem herrlichen See Pontchartrain, wo ich ein Bad nahm, welches mich erfrischte. Dann begab ich mich von neuem auf die Suche. Dabei kam ich wieder an die deutsche Bierstube, in welcher ich gestern Old Death getroffen hatte. Ich ging hinein, und zwar ohne alle Ahnung, hier eine Spur finden zu können. Das Lokal war in diesem Augenblick nicht so gefüllt wie am vergangenen Tage. Gestern war keine Zeitung zu bekommen gewesen; heut lagen mehrere Blätter unbenutzt auf dem Tische, und ich ergriff das erste beste, die bereits damals in New Orleans erscheinende ‚Deutsche Zeitung‘, welche noch heute existiert, wenn sie auch wahrscheinlich inzwischen nach amerikanischem Muster den Verleger und Redakteur viele Male gewechselt hat.
    Ohne die Absicht, das Blatt wirklich durchzustudieren, schlug ich es auf, und das erste, was mir auffiel, war ein Gedicht. Gedichte lese ich bei der Durchsicht einer Zeitung entweder zuletzt oder lieber gar nicht. Die Überschrift glich der Kapitelüberschrift eines Schauerromans. Das stieß mich ab. Sie lautete: ‚Die fürchterlichste Nacht‘. Schon wollte ich die Seite umwenden, als mein Auge auf die beiden Buchstaben fiel, mit denen das Gedicht unterzeichnet war: ‚W.O.‘ Das waren ja die Anfangsbuchstaben des Namens William Ohlert! Der Name hatte mir so lange Zeit und so unausgesetzt im Sinn gelegen, daß es nicht wundernehmen kann, wenn ich ihn in Beziehung zu diesen Buchstaben brachte. Ohlert junior hielt sich ja für einen Dichter. Sollte er seinen Aufenthalt in New Orleans dazu benutzt haben, eine Reimerei an das Publikum zu bringen? Vielleicht war die Veröffentlichung so schnell erfolgt, weil er die Aufnahme bezahlt hatte. Bewahrheitete sich meine Vermutung, so konnte ich durch dieses Gedicht auf die Spur der Gesuchten gebracht werden. Ich las also:
    Die fürchterlichste Nacht
    Kennst du die Nacht, die auf die Erde sinkt Bei hohlem Wind und schwerem Regenfall,
Die Nacht, in der kein Stern vom Himmel blinkt,
Kein Aug' durchdringt des Wetters dichten Wall?
So finster diese Nacht, sie hat doch einen Morgen;
O lege dich zur Ruh, und schlafe ohne Sorgen!
Kennst du die Nacht, die auf das Leben sinkt,
Wenn dich der Tod aufs letzte Lager streckt
Und nah der Ruf der Ewigkeit erklingt,
Daß dir der Puls in allen Adern schreckt;
So finster diese Nacht, sie hat doch einen Morgen;
O lege dich zur Ruh und schlafe ohne Sorgen!
Kennst du die Nacht, die auf den Geist dir sinkt,
Daß er vergebens nach Erlösung schreit,
Die schlangengleich sich um die Seele schlingt
Und tausend Teufel ins Gehirn dir speit?
O halte fern dich ihr in wachen Sorgen,
Denn diese Nacht allein hat keinen Morgen! W. O.
    Ich gestehe, daß die Lektüre des Gedichtes mich tief ergriff. Mochte man es für literarisch wertlos erklären, es enthielt doch den Entsetzensschrei eines begabten Menschen, welcher vergebens gegen die finstern Gewalten des Wahnsinnes ankämpft und fühlt, daß er ihnen rettungslos verfallen müsse. Doch schnell überwand ich meine Rührung, denn ich mußte handeln. Ich hatte die Überzeugung, daß William Ohlert der Verfasser dieses Gedichtes sei, suchte im Directory nach der Adresse des Herausgebers der Zeitung und begab mich

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