02 - Winnetou II
Getroffene lautlos zusammenbrach; ich aber riß, da ich vollständig waffenlos war, dem andern zuerst das Messer aus dem Gürtel, und zog es ihm dann mit solchem Druck durch die Kehle, daß der Schrei, welchen er auszustoßen im Begriff gestanden hatte, als ein pfeifendes Gurgeln sich durch die Schnittwunde drängte und er ebenfalls niedersank.
Einige rasche Schnitte befreiten die Gebundenen von ihren Fesseln, so daß sie sich frei sahen, noch ehe bei der Raschheit des ganzen Vorganges derselbe von irgendeinem der Feinde bemerkt worden war.
„Vorwärts; holt euch Waffen!“ rief ich, da ich wohl einsah, daß ohne dieselben ein Entkommen nicht denkbar war, riß dem von mir Getöteten den Schießbeutel vom Leib und stürmte Winnetou nach, welcher in richtiger Erfassung der Umstände nicht nach dem Tor zu, sondern mitten unter die am Feuer Lagernden hineinsprang.
Wie in jedem Augenblick, in dem es sich um Tod und Leben handelt, der Mensch ein ganz anderer ist als sonst, so gab auch uns die Erwägung dessen, was auf dem Spiel stand, die notwendige Behendigkeit. Noch ehe sich die Überfallenen besonnen hatten, waren wir schon, die ihnen entrissenen Waffen in der Hand, zwischen ihnen hindurch.
„Swallow, Swallow!“ rief ich dem Pferd zu, saß wenige Augenblicke später auf seinem Rücken, sah Winnetou auf das seinige springen und Hawkens den ersten besten Spritzer besteigen.
„Herauf zu mir, um Himmels willen rasch!“ bedeutete ich Harry, welcher vergebens versuchte, auf Finneteys Braunen zu kommen, welcher wie rasend um sich schlug. Ich ergriff ihn beim Arm, riß ihn zu mir empor und wandte nach dem Ausgang um, durch welchen soeben Sam verschwand.
Es war ein Moment der höchsten Aufregung. Wütendes Geheul erfüllte die Luft; Schüsse krachten; Pfeile schwirrten um uns, und dazwischen tönte das Getrappe und Schnauben der Pferde, auf welche sich die Wilden warfen, um uns zu verfolgen.
Ich war der hinterste von uns dreien und kann unmöglich sagen, wie ich durch den engen, gewundenen Paß hinaus ins Freie kam, ohne von dem Feind erreicht zu werden. Hawkens war nicht mehr zu sehen; Winnetou bog rechts in das Tal hinab, welches wir vor einigen Tagen bei unserer Ankunft heraufgeritten waren, und blickte sich dabei nach mir um, ob ich ihm folgen werde.
Eben standen wir im Begriff, die Biegung zurückzulegen, da fiel hinter uns ein Schuß, und ich fühlte, wie Harry zusammenzuckte. Er war getroffen worden.
„Swallow, mein Swallow, greif aus!“ ermunterte ich in höchster Angst das Tier, und in demselben rasenden Lauf wie damals nach der Explosion in New-Venango schoß es vorwärts.
Als ich mich umblickte, sah ich Parranoh auf seinem Mustang dicht hinter mir; die anderen waren mir durch die Krümmung des Weges versteckt. Obgleich ich nur einen flüchtigen Blick auf ihn werfen konnte, bemerkte ich doch den wütenden Ingrimm, mit welchem er uns zu ereilen trachtete, und verdoppelte meine Zurufe an das brave Pferd, von dessen Schnelligkeit und Ausdauer alles abhing; denn wenn ich auch einen Kampf mit dem wilden Mann nicht scheute, so wurde ich doch durch den Knaben an jeder freien Bewegung gehindert und konnte nichts tun als nur vorwärts streben.
Wie im Sturm flogen wir an dem Lauf des Wassers entlang. Winnetous Fuchs schleuderte die langen, knochenstarken Glieder von sich, daß die Funken stoben und das lockere Geröll hinter ihm einen förmlichen Steinregen bildete. Swallow hielt im gleichen Schritt, obgleich er doppelte Last zu tragen hatte; aber, obwohl ich mich nicht mehr umblickte, wußte ich doch, daß Parranoh uns hart auf den Fersen blieb; denn der Hufschlag seines Braunen ließ sich in steter Nähe vernehmen.
„Ihr seid verwundet, Harry?“ fragte ich im vollen Jagen.
„Ja.“
„Und gefährlich?“
Das lebenswarme Blut rann ihm aus seiner Wunde über meine Hand; mit welcher ich ihn um den Leib gefaßt hielt. Er war mir zu lieb geworden, als daß mich dies nicht mit der lebhaftesten Besorgnis erfüllt hätte.
„Werdet Ihr den Ritt aushalten können?“
„Ich hoffe es.“
Ich feuerte das Pferd zu immer rasenderem Lauf an. Es führte nicht umsonst den Namen ‚Swallow‘. Wie eine Schwalbe flog es dahin; seine Hufe schienen kaum den Boden zu berühren.
„Haltet Euch nur fest, Harry. Wir sind schon halb gerettet!“
„Es liegt mir nichts am Leben. Laßt mich immerhin herunterfallen, wenn meine Last Euch hindert, zu entkommen!“
„Nein, nein, Ihr sollt leben. Ihr habt ein Anrecht
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