02 - Winnetou II
dazu!“
„Jetzt nicht mehr, da der Vater tot ist. Ich wollte, ich wäre mit ihm gefallen!“
Eine Pause folgte, während welcher wir unseren Lauf oder vielmehr unseren Flug fortsetzten.
„Ich bin schuld an seinem Tod“, klagte sich jetzt der Knabe an. „Wäre ich Euch gefolgt, so wäre Parranoh in der ‚Festung‘ niedergestoßen worden, und die Indsmen hätten ihn nicht getötet!“
„Laßt das Geschehene. Wir haben mit der Gegenwart zu tun!“
„Nein, laßt mich herab. Parranoh bleibt zurück, und wir können Atem holen!“
„So wollen wir's versuchen!“ Mit dem festen Vorsatz, Stich zu halten, blickte ich zurück.
Längst hatten wir den Lauf des Wassers verlassen und waren in die freie Ebene eingebogen, über welche wir parallel mit dem Saum des uns zur Linken liegenden Waldes dahinflogen. Parranoh war jetzt eine ziemliche Strecke zurückgeblieben, und Swallow bewies sich also dem Braunen weit überlegen. Hinter dem weißen Häuptling, einzeln oder in kleinen Gruppen, folgten die Indianer, welche die Verfolgung nicht aufgeben wollten, trotzdem wir immer größeren Vorsprung gewannen.
Mich wieder umdrehend, sah ich, daß Winnetou abgesprungen war und hinter seinem Pferd stand. Er lud die erbeutete Büchse. Auch ich parierte meinen Hengst. Ich ließ Harry niedergleiten, stieg nach und legte ihn in das Gras. Zum Laden blieb mir nicht mehr Zeit; denn Parranoh war schon zu nahe. Ich sprang also wieder auf und griff zum Tomahawk.
Der Verfolger hatte unsere Bewegung wohl bemerkt, ließ sich aber von der Hitze fortreißen und stürmte, das Schlachtbeil schwingend, auf mich ein. Da krachte der Schuß des Apachen; der Feind zuckte zusammen und stürzte, zu gleicher Zeit von meiner Waffe getroffen, mit tief gespaltenem Haupt vom Pferd.
Winnetou wandte den leblosen Körper mit dem Fuß um und sprach:
„Die Schlange von Atabaskah wird nicht mehr zischen und den Häuptling der Apachen nennen mit dem Namen eines Pimo. Mein Bruder nehme seine Waffen zurück.“
Wirklich trug der Gefallene Messer, Beil, Revolver und Stutzen von mir; ich nahm eiligst mein Eigentum wieder an mich und sprang zu Harry zurück, während Winnetou den Braunen einfing.
Die Indsmen waren uns fast so nahe gekommen, daß sie uns mit ihren Kugeln erreichen konnten. Wir saßen wieder auf, und fort ging es mit erneuter Schnelligkeit.
Da plötzlich blitzte es zu unserer Linken hell und glänzend auf wie Waffenschimmer; eine zahlreiche Truppe Reiter flog von dem Waldessaum her zwischen uns und die Verfolger hinein, schwenkte gegen diese um und stürmte in gestrecktem Galopp ihnen entgegen.
Es war ein Detachement Dragoner von Wilkes Fort. Kaum hatte Winnetou die Helfer erblickt, so riß er seinen Gaul herum, schoß an ihnen vorüber und mit hochgeschwungenem Tomahawk unter die Ponkas hinein, welche kaum Zeit gehabt hatten, den Lauf ihrer Pferde zu hemmen. Ich hingegen stieg ab, um nach der Wunde Harrys zu sehen.
Sie war nicht gefährlich. Ich zog das Messer und schnitt, da mir nichts anderes zur Verfügung stand, einen Streifen meines Jagdhemdes los, mit Hilfe dessen ich in der Eile einen notdürftigen Verband anlegte, um wenigstens die Blutung zu stillen.
„Werdet Ihr aufsitzen können, Harry?“ fragte ich.
Er lächelte und trat zu dem Braunen, dessen Zügel mir Winnetou im Vorübersprengen zugeworfen hatte. Mit einem Sprung saß er oben.
„Nun das Blut nicht mehr fließt, fühle ich von der Wunde nichts mehr. Dort fliehen die Roten. Vorwärts, ihnen nach, Sir!“
Es war so, wie er sagte. Ihres Anführers beraubt, dessen Zuruf sie zum Widerstand ermutigt oder wenigstens ihre Flucht geregelt hätte, jagten sie, die Dragoner immer in ihren letzten Gliedern, denselben Weg zurück, welchen wir gekommen waren, und es war also zu vermuten, daß sie in unserem Talkessel ihre Zuflucht suchen wollten.
Jetzt ließen wir wieder ausgreifen, schossen an den zahlreichen am Boden liegenden gefallenen Indianern vorüber und erreichten infolge der Schnelligkeit unserer Tiere die Soldaten noch eine ziemliche Strecke vor dem Wassertor.
Es kam sehr viel darauf an, die Wilden sich nicht in der Felsenwindung festsetzen zu lassen, sondern gleich mit ihnen einzudringen; deshalb trieb ich Swallow durch Busch und Dorn, über Stock und Stein an der ganzen Reihe der Verfolgenden vorüber und war bald an der Seite Winnetous, welcher sich immerfort würgend an die Fersen der Flüchtenden geheftet hatte.
Jetzt bogen sie links nach dem Tor ein, und eben
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