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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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doch Master Lange!“
    „Schöne Äste, herrliche Äste!“ antwortete er mit einem neuen Stoß nach meiner Hüfte.
    „Ich verlange, zu Master Lange in die Stube geschafft zu werden! Ich habe diese Verkleidung nur angelegt, um –  –  –“
    „Veritabel prächtige Äste! Und einen Strick findet man in La Grange auch, einen feinen, wirklich eleganten Strick aus gutem Hanf!“
    Er schob mich weiter und stieß mir die Faust abermals und zwar so in die Seite, daß mir endlich die Geduld ausging. Der Kerl war imstande, die Leute so aufzuregen, daß sie mich lynchten. Hatte man mich einmal draußen, so war nichts Gutes zu erwarten.
    „Herr“, brüllte ich ihn jetzt an, „ich verbitte mir Eure Roheit! Ich will zu Master Lange, verstanden?“
    „Herrliche Äste! Unvergleichliche Stricke!“ brüllte er noch lauter als ich und bedachte mich dabei mit einem gewaltigen Box an die Rippen. Jetzt kochte der Topf über. Ich stieß ihm die Faust mit aller Kraft unter die Nase, daß er sicherlich hintenüber und zu Boden geflogen wäre, wenn es den dazu nötigen Raum gegeben hätte. Die Leute standen zu eng. Aber ein wenig Raum bekam ich doch. Ich benützte diese Gelegenheit sofort, indem ich mit Gewalt vordrang, aus Leibeskräften brüllte und, wie blind um mich schlagend, Püffe, Stöße und Hiebe austeilte, vor denen man wenigstens so weit zurückwich, daß ich mir eine enge Gasse erkämpfte, durch welche ich in die Stube gelangte. Aber während ich auf diesem Weg nach vorn so kräftig meine Fäuste gebrauchte, schloß sich die Gasse sofort hinter mir, und alle Arme, welche mich erreichten, kamen in Bewegung, so daß es Fäuste buchstäblich auf mich hagelte. Wehe den wirklichen Kukluxern, wenn schon ein imitierter in dieser Weise blau gegerbt wurde! Der Starkknochige war mir möglichst schnell gefolgt. Er schrie wie ein angestochener Eber und gelangte fast zugleich mit mir in die Stube. Als Lange ihn erblickte, fragte er:
    „Um des Himmels willen, was ist denn los, lieber Sir? Warum schreit Ihr so? Warum blutet Ihr?“
    „An den Baum mit diesem Kuklux!“ antwortete der Wütende. „Hat mir die Nase zerschlagen, die Zähne eingestoßen, zwei Zähne oder drei oder vier. Herrliche Zähne! Die einzigen, die ich vorn noch hatte! Hängt ihn!“
    Jetzt war sein Zorn begründeter als vorher, denn er blutete wirklich ganz leidlich.
    „Der da?“ fragte Lange, auf mich deutend. „Aber Sir, werter Sir, der ist ja gar kein Kuklux! Er ist unser Freund, und grad ihm verdanken wir es am meisten, daß wir die Kerle erwischt haben. Ohne ihn lebten wir und Señor Cortesio nicht mehr, und unsere Häuser ständen in Flammen!“
    Der Starkknochige riß die Augen und den blutenden Mund möglichst weit auf, deutete auf mich und fragte:
    „Ohne – ohne – diesen da?“
    Famoses Tableau! Alle Umstehenden lachten. Er trocknete sich mit dem hervorgezogenen Taschentuch den Schweiß von der Stirn und das Blut von Mund und Nase, und ich rieb mir die verschiedenen Stellen, an denen noch später die Augenblicksphotographien seiner Knochenfinger zu sehen waren.
    „Da hört Ihr es, Sir!“ donnerte ich ihn dabei an. „Ihr wart ja geradezu rasend darauf, mich baumeln zu lassen! Und von Euren verteufelten Püffen fühle ich jedes Knöchelchen meines Leibes. Ich bin der veritable geschundene Raubritter, Sir!“
    Der Mann wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er den Mund abermals aufriß und uns stumm die linke Hand geöffnet hinhielt. Auf der letzteren lagen die zwei ‚einzigen‘ Vorderzähne, welche bis vorhin in dem ersteren ihr sicheres und friedliches Domizil gehabt hatten. Jetzt mußte auch ich lachen, denn er sah gar zu kläglich aus. Und nun brachte ich endlich meinen Auftrag an den Mann.
    Man hatte fürsorglicherweise alle vorhandenen Stricke zusammengetragen. Sie lagen mit Schnüren, Leinen und Riemen in der Ecke zum Gebrauch bereit.
    „Also laßt sie heraus!“ sagte ich. „Aber einzeln. Und jeder wird gebunden, sobald er heraustritt. Old Death wird gar nicht wissen, weshalb so lange gezögert wurde. Eigentlich sollte der Sheriff da sein. Cortesios Neger wollte ihn doch sofort holen!“
    „Der Sheriff?“ fragte Lange erstaunt. „Der ist doch da! Am Ende wißt Ihr gar nicht, wem Ihr die Püffe zu verdanken habt? Hier steht er ja!“
    Er deutete auf den Knochigen.
    „Alle Wetter, Sir!“ fuhr ich diesen an. „Ihr selbst seid der Sheriff? Ihr seid der oberste Exekutivbeamte dieses schönen County? Ihr habt auf Ordnung

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