02
aufwachten und sich immer noch in lebenslanger Gefangenschaft auf einer vergessenen SyndikWelt befanden, von der es kein Entrinnen gab. Sie alle waren schmal, fast schon mager. Nur wenige besaßen noch eine unversehrte Uniform, während die anderen etwas trugen, das nach abgelegter Zivilkleidung aussah.
Captain Desjani sprach in ihre mobile Komm-Einheit. »An alle auf der Dauntless. Das von uns befreite Allianz-Personal benötigt Uniformen. Ich bitte jeden, das zur Verfügung zu stellen, was er erübrigen kann.« Sie sah Geary an. »Wir werden sie wieder ordentlich einkleiden, Sir.«
»Das werden sie sicher zu schätzen wissen«, gab er zurück, während er sich vorstellte, dass sich ähnliche Szenen wie diese im Augenblick in der gesamten Flotte abspielten.
Geary hörte Captain Desjani überrascht nach Luft schnappen, als die befreiten Gefangenen an ihnen vorbeigingen. »Casell?«
Ein Mann mit den matten Abzeichen eines Lieutenants an seiner zerfetzten Jacke drehte sich um, als er seinen Namen hörte. Sein Blick erfasste Desjani. »Tanya?« Einen Moment später lagen sich die beiden in den Armen. »Ich kann es nicht fassen! Die Flotte taucht hier urplötzlich auf, und du bist mit dabei!«
»Ich dachte, du wärst bei Quintarra umgekommen«, sagte sie, und Geary nahm fassungslos zur Kenntnis, dass die sonst so willensstarke Befehlshaberin der Dauntless gegen Tränen anzukämpfen schien.
»Nein«, gab Casell zurück. »Die halbe Crew hatte überlebt, aber wir wurden alle von den Syndiks einkassiert.« Dann fiel sein Blick auf ihre Uniform, er bekam den Mund nicht mehr zu und ging einen Schritt zurück. »Captain? Du bist ein … Captain?«
Desjani grinste ihn an. »Viele sind während der Kämpfe befördert worden. Das hier ist mein Schiff.« Sie wandte sich zu Geary um. »Sir, das ist ein alter Freund von mir, Lieutenant Casell Riva.«
Lächelnd streckte Geary seine Hand aus. Nach den viel zu jungen Senioroffizieren, die Geary bislang gesehen hatte, die sämtlich allzu schnell in ihren jetzigen Positionen befördert werden mussten, weil der Krieg zu viele Opfer kostete, war es umso eigenartiger, einem älteren Junioroffizier gegenüberzustehen. Allerdings wurde in einem Arbeitslager auch niemand befördert. »Ist mir ein Vergnügen, Lieutenant. Schön, Sie an Bord zu haben. Ich bin Captain John Geary, Befehlshaber der Flotte.«
Lieutenant Riva, der noch immer verarbeiten musste, dass seine alte Freundin inzwischen Captain war, ergriff Gearys Hand reflexartig, als er mit einiger Verspätung verstand, was der gesagt hatte: »Sa-sagten Sie Captain John Geary, Sir?«
Desjani lächelte ihn strahlend an. »Captain John >Black Jack< Geary. Er lebt, Casell. Er ist unser Befehlshaber, und er bringt diese Flotte heim.«
Rivas Gesicht nahm jenen Ausdruck an, den Geary fürchten gelernt hatte: eine Mischung aus Ehrfurcht, Unglauben und Staunen. »Natürlich«, hauchte der Mann. »Einer der Marines sagte, Captain Geary habe die Flotte hergebracht, aber wir hielten das nur für eine Redewendung. Doch es ist wahr.« Begeisterung ließ seine Miene aufleuchten. »Die Syndiks sind zum Untergang verdammt. Tanya … ich meine, Captain Desjani, wissen Sie, wer der Senioroffizier im Lager war? Captain Falco.«
Desjani starrte ihren alten Freund an. »Falco der Kämpfer? Er lebt auch noch?«
»Ja, und mit ihm und Black Jack …« Lieutenant Riva schluckte. »Ich wollte sagen, mit ihm und Captain Geary ist diese Flotte unschlagbar!«
Geary nickte und behielt sein höfliches Lächeln bei. Wenn er sich die Flotte ansah, die er geerbt hatte, dann konnte ein Offizier mit dem Spitznamen »der Kämpfer« nur für all das stehen, was Geary abzuschaffen versuchte. Aber vielleicht auch nicht. Er konnte nicht einen Mann vorverurteilen, der offenbar großes Ansehen genoss.
Ein großer dünner Mann tauchte am Kopf der Shuttlerampe auf und hielt mit dramatischer Geste inne, verschaffte sich einen Eindruck von der Szene und kam dann mit forderndem Ausdruck in den Augen zu ihnen. Er trug das Abzeichen eines Flottencaptains, das am Kragen einer vergleichsweise gut erhaltenen Jacke befestigt war. Andere Leute drehten sich zu ihm um, da der Mann die Aufmerksamkeit seiner Umgebung einem Magneten gleich an sich zog. Geary musste unwillkürlich an Riones Abneigung gegenüber »Helden« denken, die eine Flotte in ihren Untergang führen konnten. Dieser Mann war dazu auch fähig, überlegte Geary.
Der Mann blieb vor Geary stehen und lächelte ihn selbstbewusst und
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