020 - Zug der Verlorenen
trauen. Maddrax war solch ein Mensch. Es erfüllt mich mit Stolz, sagen zu können, dass er mein Freu…«
Ein trockener Laut erklang. Der Wulfane verstummte jäh und blieb abrupt stehen.
»Arzak?«, fragte Aruula erstaunt. »Was…?«
In diesem Moment sah sie die Holzspitze, die im Rücken des Wulfanen ausgetreten war. Blut und Fellhaare klebten daran.
»Arzak!«, schrie Aruula entsetzt.
Sie umrundete ihren Begleiter, der sich bebend auf den Beinen hielt. Erst als sie ihn von vorn sah, begriff sie, was geschehen war.
Vor ihnen auf dem Pfad war eine heimtückische Vorrichtung versteckt gewesen, die Arzak offenbar ausgelöst hatte. Ein etwa acht Ellen langer armdicker Pfahl, der an einem Ende zugespitzt war, war aus einem Gebüsch geschnellt, hatte den Wulfanen in die Brust getroffen und ihn regelrecht aufgespießt.
Arzaks Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei. Dunkles Blut sickerte aus seinen Mundwinkeln hervor, während er Aruula aus weit aufgerissenen Augen anstarrte.
»Arzak!«
Die Barbarin fühlte ohnmächtige Wut. Hilflos stand sie da und musste zusehen, wie der einzige Freund, den sie noch hatte, vor ihren Augen verblutete. Grellroter Lebenssaft pulsierte unaufhörlich aus der schrecklichen Wunde, sickerte am Pfahl herab und troff zu Boden. Und es gab noch nicht einmal einen Gegner, dem sie sich stellen konnte.
»Aruula…ahhh…«
Ein kehliges Keuchen entrang sich der Kehle des Wulfanen. Irgendwie schaffte er es, den Pfahl zu umklammern und sich davon zu lösen. Von der mörderischen Waffe befreit, taumelte er zurück und fiel blutüberströmt zu Boden. Aruula war sofort bei ihm, bettete sein haariges Haupt auf ihre nackten Schenkel.
»Aruula…«, keuchte er wieder.
»Ich bin hier«, versicherte die Barbarin, während ihr unwillkürlich Tränen in die Augen schossen. Sie wusste, dass sie nichts mehr für Arzak tun konnte - die Wunde war zu tief, um sie zu schließen.
»Ich werde…Maddrax folgen ins Reich…Nuwadir…«
»Ethera«, antwortete Aruula leise. »In der Sprache meines Volkes heißt dieser Ort Ethera.«
»Auf den Namen…kommt es nicht an«, presste der Wulfane mit von Blut erstickter Stimme hervor, »sondern darauf…was ein Mann…getan hat…um ehrenvoll…zu sterben…«
Damit durchlief ein krampfhaftes Zucken seinen einstmals so kräftigen Körper - und Arzaks Kopf fiel zurück.
Er war tot.
»Tuma sa feesa - Friede sei mit dir«, sprach Aruula den Segenswunsch der Wandernden Völker und schloss dem Wolfsmann die Augen. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, als wolle alles in ihr zerspringen.
Sie legte den Kopf in den Nacken, blickte hinauf zum grünen Blätterdach, das sich über ihr wölbte, und stieß einen entsetzlichen Schrei aus, der aus ihren innersten Tiefen kam und jeder Menschlichkeit entbehrte. Es war der Schrei einer Kreatur, die auf ihre Instinkte zurückgefallen war, die sich selbst nicht mehr kannte vor Trauer und Zorn.
Fast im selben Augenblick nahm Aruula aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung wahr. Geschmeidig wie eine Raubkatze sprang sie auf und fuhr herum, bereit sich einer Horde grässlicher Fischkreaturen zu stellen. Ihre Keule lag schwer in ihrer Hand. Sie hatte vor, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.
Doch da waren keine fischartigen, blutrünstigen Bestien, die ihr Blut wollten. Nicht eine einzige.
Der Schatten, der unvermittelt aus dem Dickicht getreten war, war in Wirklichkeit ein junger Mann, den Aruula noch dazu kannte.
Es war Crane…
Für einen Augenblick durchzuckte ein Hoffnungsschimmer die Barbarin, und sie wollte Wudan dafür danken, dass er ihr so unvermittelt einen neuen Verbündeten geschickt hatte. Doch schon einen Herzschlag später erkannte sie, dass etwas mit Crane ganz und gar nicht stimmte.
Die Züge des blassen Jünglings waren grausam verzerrt. Seine Kleidung war zerschlissen und blutbefleckt; auch seine Hände, sein Mund und sein Kinn wiesen Spuren von getrocknetem Blut auf. Dazu lag dieser wahnsinnige Glanz in seinen Augen, der Aruula zutiefst erschreckte. Crane hatte den Verstand verloren! »Hallo, Aruula«, grüßte er mit heiserer Stimme und falschem Lächeln - und in diesem Augenblick begriff die junge Frau. Auf einen Schlag wurde ihr alles klar, und sie schalt sich eine verdammte Närrin dafür, dass sie nicht schon früher darauf gekommen war.
»Du!«, rief sie mit sichüberschlagender Stimme. »Du bist es gewesen! Du hast unsere Kameraden getötet! Du hast Dale das angetan! Du hast Arzak auf dem
Weitere Kostenlose Bücher