0203 - Die Geisterfrau
undeutlich.
***
»Was gibt es da zu lachen?« fauchte Nicole, verzweifelt bemüht, den Overall auszuziehen.
»Vielleicht solltest du erst einmal die Rollschuhe ausziehen«, riet Zamorra. »Dann bekommst du deine Astronautenkluft besser von den Beinen.«
»Auch 'ne Idee«, murmelte Nicole verdrossen und machte sich an die Arbeit. »Daß ich die Dinger noch untergeschnallt habe, hab' ich doch total vergessen.«
Zamorra sah sich im Bad um. Es war geräumig, zum Teil mit weichen, flauschigen Teppichen ausgelegt und schwarz gekachelt. Ein riesiges Becken befand sich zu ebener Erde, daneben eine Duschnische. Fragend sah Zamorra seine Lebensgefährtin an.
»Dusche«, entschied sie und schleuderte den ersten Rollschuh zur Seite. »Das geht schneller. Wenn es schon um neun Uhr Frühstück gibt, haben wir nicht mehr viel Zeit für die Nacht, und ein bißchen Schlaf möchte ich schon haben.«
Zamorra nickte. Eine kleine Erfrischung, überlegte er, würde auch ihm guttun. Aber immer schön der Reihe nach, sonst dauerte es doch wieder lange…
Nicole, mittlerweile von Roller-Skates und Overall befreit, tänzelte mit aufregendem Hüftschwung an ihm vorbei und in die Duschnische. Mit schnellem Griff drehte sie die Brause auf.
Ihr gellender Aufschrei mußte im gesamten Westflügel zu hören sein.
Blutrot rauschte es aus der Brause!
***
Bill Fleming warf blitzschnell die Arme nach hinten und bekam mit den Fingern gerade noch den Fensterrahmen rechts und links zu fassen. Sekundenlang erwartete er den zweiten Hieb in den Rücken, der ihn endgültig in die Tiefe schleudern würde, aber der Stoß blieb aus. Bill schnellte sich kraftvoll zurück, machte einen Sidestep und brachte sich damit aus der unmittelbaren Gefahrenzone.
Jemand hatte ihn aus dem Fenster stoßen wollen, und es fehlten nur ein paar Millimeter am Erfolg!
Aber außer Bill befand sich niemand im Zimmer.
»Verdammter Spuk«, knurrte der Historiker und sah wieder zum Fenster. Er wäre etwa acht Meter tief gestürzt. Tief genug, um sich den Hals brechen zu können. Von einem Moment zum anderen war der Poltergeist radikal geworden. Dies war ein offener Mordanschlag.
Bislang waren die Scherze des Schloßgespenstes harmlos gewesen, wenn auch recht störend. Dies hier aber übertraf alles Dagewesene.
»Der Geist will mich umbringen«, murmelte Bill. »Warum?«
Er verschloß das Fenster sorgfältig und zog die schweren Vorhänge zu. Er begann ein dumpfes Unbehagen zu spüren. Der Geist würde es nicht bei diesem einen Versuch bewenden lassen. Von nun an mußte Bill auf der Hut sein. Offene Fenster waren ab sofort tabu, und auf Treppen würde er sich sehr sorgfältig am Geländer festhalten, um einem Stoß vorzubeugen.
Langsam und mit immer noch heftig klopfendem Herzen ging er zu dem niedrigen Schrank, öffnete ihn und holte die Flasche mit Whisky aus dem Kältefach. Zwei Fingerbreit füllte er in ein Glas, warf einen Eiswürfel hinzu und wollte gerade an dem goldgelben Getränk nippen, als er in der Bewegung erstarrte.
Ein gellender Schreckensschrei hallte durch die Etage!
»Nicole!« stöhnte er auf. Er kannte ihre Stimme. Das war sie gewesen. Sie mußte in Gefahr sein.
Mit einem Satz war er an der Tür, wollte sie aufreißen. Aber sie war blockiert. Abgeschlossen!
Erneut riß er den Schlüssel aus der Tasche.
Aber der Schlüssel drehte wieder durch.
Bill Fleming war in seiner Zimmerflucht gefangen!
***
Nicole sprang mit einem Satz zurück, aber es half ihr nichts. Sie war bereits von dem roten Saft überschüttet. In unverminderter Stärke strömte es rot aus der Brause herab.
»Blut!« keuchte sie.
Zamorra wich ebenfalls ein paar Schritte zurück, um nicht mit der roten Flüssigkeit in Berührung zu kommen. Plötzlich begann Nicole zu lachen.
»Ein ziemlich alter Hut«, behauptete sie. »Und ausgerechnet ich muß darauf hereinfallen.«
Zamorra zuckte mit den Schultern. Er schnupperte. Das Zeug, das da aus der Brause strömte, sah nicht nur aus wie Blut, sondern es roch auch so.
»Ein Spuk«, sagte Nicole fröhlich. »Uns wird Blut vorgegaukelt. Dabei ist das völlig stinknormales Wasser. Hypnose nennt man so etwas.«
Zamorra war nicht so einfach bereit, ihre Annahme zu teilen. Wer erkennt, daß er unter Hypnose steht, sieht im gleichen Moment die Dinge auch wieder so, wie sie aussehen sollen. »Was siehst du jetzt?« fragte er.
»Immer noch Blut«, grinste Nicole undamenhaft. Ihr mit dem roten Saft verschmiertes Gesicht wirkte dämonisch und
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