0207 - Der Mann, der nicht sterben konnte
Fjodor?«
»Mein vierter.«
»Ich bitte dich, hör auf…«
»Nein, Edwina. Ich werde mit jedem Tod stärker. Denn wenn ich gestorben bin und dann wieder lebe, kann ich mit meiner Umwelt spielen, verstehst du das? Ich, Fjodor Rankin, bin ein Mann, den niemand besiegen kann, denn ich bin unsterblich, Edwina!«
»Ich kann es nicht.«
»Los, zieh mir das Messer aus der Brust!« Die Stimme ließ keinen Widerspruch zu, das wußte Edwina. Wenn sie jetzt nicht gehorchte, dann würde ihr Mann sie töten, denn er war der letzte Rankin und mit einem Fluch beladen, den er als Segen empfand.
Der Mann drückte seine Hände gegen die Sitzfläche und beugte sich nach vorn. Er streckte seinen Brustkorb der Frau entgegen, damit sie das Messer hervorziehen konnte.
»Edwina!« Den Namen seiner Frau sprach er zischend aus, und Edwina gehorchte. Ihre rechte Hand umfaßte den Griff. Sie schloß die Augen, betete innerlich und riß das Messer aus der Wunde.
Da der Mann es sich tief in den Körper gestoßen hatte, klaffte die Wunde weit auseinander. Sie hatte einen Spalt hinterlassen, man konnte in sie hineinschauen, was Edwina auch tat. Dabei sah sie kaum Blut, nur eine rosafarbene Flüssigkeit, als wäre normales Blut mit Wasser vermischt worden.
Sie schaute ihrem Mann nicht ins Gesicht, sondern nur auf die Klinge. Auch sie war nicht mehr so blank, wie zuvor, als sie sich ihr Mann in die Brust gestoßen hatte. Das Metall zeigte einen schlierigen Überzug, und Edwina warf das Messer angeekelt fort.
Fjodor aber stand auf. Er lachte lautlos. Es war mehr ein Grinsen, und es sah sehr siegessicher aus. »Mir kann niemand etwas!« flüsterte er heiser. »Niemand wird oder kann mich töten. Ich werde es ihnen allen beweisen. Ich, Fjodor Rankin, denn ich bin der Mann, der den Tod überlistet hat.«
Edwina schlug die Hände vor ihr Gesicht. »Bitte«, schluchzte sie.
»Ich bitte dich. Du versündigst dich.«
»Gegen wen?«
»Gegen alles.«
»Ach, hör auf, Alte.«
»Der Herrgott wird dich strafen. Sein Gericht wird über dich kommen wie ein Unwetter.«
»Hör auf zu jammern, du altes Weib. Nichts wird geschehen, aber auch gar nichts. Denn ich bin mir selbst Gott genug. Hast du das nicht gemerkt?«
»Nein, Fjodor, sprich nicht so. Ich bitte dich…«
Der Mann gab keine Antwort. Er senkte den Blick und schaute an sich hinab, wo sich die Wunde, wie von Geisterhänden versorgt, langsam verschloß.
»Bring mir was zu trinken!« forderte Fjodor.
»Ich kann nicht, Fjodor. Ich kann das nicht mehr mitmachen. Ich will auch nicht. Es ist so schrecklich.«
Rankins Mund bewegte sich, ohne daß er etwas sagte. »Hast du dir die Worte genau überlegt, Alte?«
»Ja, das habe ich.«
»Und du willst weg?«
Edwina nickte.
»Das geht nicht mehr. Du mußt bei mir bleiben. Du kennst mein Geheimnis. Du und ein paar andere. Ich kann dich nicht gehen lassen, verstehst du?«
»Wie willst du mich daran hindern?« fragte die Frau erstaunt.
»Muß ich dir das sagen?«
»Ja, das mußt du!«
Da verzog Rankin den Mund. »Ich bin unsterblich, du bist es nicht.« Er lachte leise.
Im ersten Augenblick begriff die Frau nicht, was er damit gemeint hatte. Sie dachte nach, und die Gedanken spiegelten sich auf ihrem Gesicht wider. Entsetzen und Angst, Unbegreifen und Ungläubigkeit vereinigten sich zu einer Mischung. »Nein, Fjodor, das wirst du doch nicht tun. Du kannst mich nicht…«
»Ich müßte es.«
»Aber ich bin deine Frau!«
»Kann ich da noch Rücksicht nehmen. Wir sind nicht allein gewesen. Man hat uns beobachtet und belauscht. Meine Freunde wollten wissen, ob ich lüge.«
»Man hat dich gesehen?«
»Ja, mich und dich. Man weiß über dich Bescheid.« Er drehte sich und schaute auf das kleine Fenster. »Da, sieh! Vielleicht kannst du hinter der beschlagenen Scheibe ein Gesicht erkennen. Dort stehen sie und warten.«
»Wer wartet?«
»Meine Freunde. Noch hast du Zeit, dich zu entscheiden, Edwina. Entweder stehst du voll auf meiner Seite, oder du mußt die unausweichlichen Folgen tragen.«
Das wollte Edwina nicht. Sie war völlig durcheinander. Bisher hatte sie es mit Fjodor ausgehalten, nun war ihr bewußt geworden, daß es nicht mehr so weiterging.
Sie lief zum Fenster.
Die Scheibe war beschlagen. Mit dem Handballen wischte sie das Glas klar. Draußen war nichts zu sehen. Nur der hohe Schnee, der bereits Monate lag und einen dichten, weißen Sperrgürtel um die Hütte gelegt hatte. »Da ist keiner.«
»Dann kommen sie in die Hütte.
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