0207 - Der Mann, der nicht sterben konnte
Sie sind bestimmt schon am Eingang, Edwina. Noch hast du Zeit.«
Die Frau drehte sich um. Sie schaute ihren Mann an, mit dem sie über dreißig Jahre zusammengelebt hatte. Da war kein Band mehr, das sie beide zusammenhielt. Nicht ein Funken Sympathie las sie in den Augen des anderen. Nur Kälte und Härte. Nein, Fjodor würde sich nicht umstimmen lassen. Er war mit einem Fluch beladen, den sie leider zu spät bemerkt hatte.
»Entscheide dich!«
Da klopfte es. Es waren harte, fordernde Schläge, die gegen die Eingangstür donnerten. Fjodor Rankin grinste. »Ich habe nicht gelogen, als ich von meinen Freunden sprach.« Er drehte sich um, verließ den Raum, und eine angststarre Edwina blieb zurück. Da Fjodor die Tür nicht völlig geschlossen hatte, vernahm sie Stimmen. Es waren zwei Männer. Einer von ihnen sprach etwas dumpfer. Der andere antwortete mit einem kalten, metallisch klingenden Organ.
Die Tür fiel ins Schloß. Sekunden später betraten die beiden Männer das Zimmer. Sie hatten Fjodor in die Mitte genommen und blieben dicht hinter der Tür stehen, während Rankin vorging.
»Das sind sie«, sagte er nur, »und sie haben alles gehört.«
Die Fremden nickten synchron.
Edwina schaute sich die Leute an. Beide waren sie hochgewachsen. Sie trugen grüne Ledermäntel, die Fellkragen besaßen.
Die hohen Pelzmützen ließen sie noch größer erscheinen, als sie schon in Wirklichkeit waren. Ihre Gesichter zeigten eine gewisse Glätte, wie sie bei Männern des Geheimdienstes üblich ist, und in den Augen war kein einziger Funke Gefühl zu lesen.
Diese Leute würden keine Gnade kennen. Menschlichkeit war ihnen fremd.
»Ich gebe dir noch eine Chance«, sagte Rankin. »Stellst du dich auf meine Seite?«
Da schüttelte Edwina den Kopf. »Nein, ich kann nicht. Es wäre gegen meine Überzeugung. Du versündigst dich. Gib auf, Fjodor, ich bitte dich. Laß uns weggehen.«
Rankin schüttelte den Kopf. »Ihr habt es gehört?« wandte er sich an die beiden.
»Ja.«
»Was sollen wir machen?«
Die Frage schwebte sekundenlang im Raum. Die Antwort bekam Edwina auch. Allerdings nicht mündlich, sondern auf eine beängstigende Art und Weise. Gemeinsam verschwanden die rechten Hände der Männer in ihren Manteltaschen und kamen mit zwei mattglänzenden, schweren Pistolen wieder zum Vorschein. Die dunklen Löcher der Mündungen wiesen auf die schreckensstarre Frau.
»Weißt du nun Bescheid?« fragte Rankin.
»Man will mich töten!« flüsterte die Frau.
»Genau!« sagte einer der Männer.
Edwina schluckte. »Fjodor!« hauchte sie. »Ich bitte dich, das kannst du nicht zulassen…«
»Du hast dich nicht auf unsere Seite gestellt«, unterbrach Rankin seine Frau kalt.
»Aber ich…«
»Laß sie nicht so lange reden«, sagte einer der Ledermantelträger. »Wir müssen etwas tun!«
Rankin wußte, daß die Männer jetzt abdrücken wollten, doch dagegen hatte er etwas. »Nein«, sagte er. »Ihr werdet es nicht machen!«
»Dann wirst du sie am Leben lassen?«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ihr kennt mein Geheimnis. Mit jedem Selbstmord, den ich an mir verübe, wird meine Unsterblichkeit bekräftigt. Und meine Kräfte nehmen zu, das solltet ihr nicht vergessen. Ich werde mich ihrer annehmen.«
Auch Edwina hatte die Worte gehört. Sie konnte sie allerdings kaum fassen. »Du… du willst mich töten?« flüsterte sie. »Du willst deine eigene Frau umbringen?«
»Ich gebe dir eine Chance zur Flucht.«
»Wie… wie soll ich das verstehen?«
»Du kannst das Haus verlassen, Edwina. Geh, lauf in die Nacht. Verschwinde.«
»Nein!« schrie einer der Geheimdienstleute. »Das ist nicht drin, Genosse. Sie ist eine Zeugin, die nicht auf unserer Seite steht. Sie würde dein Geheimnis verraten.«
»Sie soll gehen!« Rankin schaute den Sprecher so kalt und zwingend an, daß dieser die breiten Schultern hob und zustimmte.
»Ja, wir vertrauen dir. Laß sie laufen!«
Der andere Mann war überrascht. Man konnte es an seinem glatten Gesicht ablesen, er sagte jedoch nichts und beobachtete wie sein Kumpan die beiden Rankins.
Edwina wandte sich zur Tür. »Ja, geh!« sagte ihr Mann. »Mach schnell, sonst überlege ich es mir anders.«
»Du Teufel!« flüsterte Edwina. »Du verfluchter Teufel. Dein Leben dauert nicht ewig. Irgendwann wird jemand kommen und den Fluch von dir nehmen. Dann wirst auch du sterben!«
Rankin lachte nur kalt und sah zu, wie seine Frau den Raum verließ. Sie ging dorthin, wo auch die Schlafkammer war und wo
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