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Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Titel: Hunkelers zweiter Fall - Flattermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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Die Wassertemperatur betrug 19 Grad, die Lufttemperatur 26 Grad, die Wasserqualität war schlecht.
    Peter Hunkeler, Kommissär des Kriminalkommissariats Basel, gewesener Familienvater, jetzt geschieden, stand im Rheinbad St. Johann und las die Tageswerte vom Aushang ab. Wasserqualität schlecht, dachte er, was sollte das heißen? War vielleicht die Luftqualität gut? War es gesünder, zu atmen als zu schwimmen? Hatte er sich nicht vor einer halben Stunde in der Garderobe nebenan umgezogen, war er nicht auf dem Treidelweg flussaufwärts spaziert, hatte er sich nicht beim Wasserstandsmesser oben in den Fluss gleiten lassen, und hatte er nicht den Fischreiher wegfliegen sehen? Was tat denn dieser wunderschöne Vogel dort, jeden Morgen, wenn Hunkeler auftauchte? Wusch er sich etwa im von der Chemie vergifteten Wasser den Schnabel? Nein, er fing Fische. Waren diese Fische etwa halbvergiftete Chemieleichen, auf dem Rücken treibend, mit langsamen Kiemen nach den letzten Sauerstoffresten schnappend? Nein, das waren quicklebendige Silberpfeile, und der Reiher musste seine ganze angeborene Schlauheit einsetzen, um sie zu fangen.
    Gewiss, Trinkwasser war es nicht, was dort oben unter der Mittleren Brücke hindurchfloss. Aber das war auch nicht zu erwarten in dieser Stadt. Basel lag eben nicht im kanadischen Busch, seine Bevölkerung ernährte sich nicht von Lachs und Elch, sondern von Pillen, Dünger und Lacken. Für Hunkeler galt: Wo ein Fisch schwimmt, kann auch ich baden. Er schüttelte sich die Tropfen von den Armen, strich sich das nasse Haar glatt. Er spürte die Sonne auf dem Rücken, das stimmte ihn wieder friedlich. Natürlich wusste auch er, dass der Rhein nicht ganz sauber war. Aber schließlich hatte er ja nicht vor, ihn auszutrinken.
    Hunkeler trat an den Rand der Plattform, die vor dem Kiosk über das eingehegte Schwimmbecken hinausragte. Dort draußen floss der Rhein, träge und grün zu dieser Jahreszeit. Ein schwerer Lastkahn kämpfte sich flussaufwärts, vollbeladen mit Kies. Über die Johanniterbrücke gleich rechts oben fuhr ein Blaulicht. Ein Wagen der Feuerwehr, kein schwerer Fall offenbar, es war nur ein einzelnes Auto, das drüben in Kleinbasel verschwand.
    Unten im Schwimmbecken schwamm eine Entenmutter mit fünf Küken. Vor wenigen Tagen noch waren es acht gewesen, drei hatte offenbar der Milan geholt. Die kleinen Viecher paddelten, was das Zeug hielt, um der Strömung standzuhalten. Trieb ein Blatt heran, huschten sie darauf zu, flink wie Mäuse, fast sah es aus, als ob sie über das Wasser liefen. Sie waren hier, um auf Frau Lang zu warten, die in wenigen Minuten den Kiosk aufmachen und das restliche Brot von gestern hinunterwerfen würde.
    Ein Bild des Friedens, dachte Hunkeler, eine Oase mitten in der Stadt, ein herrlicher Junimorgen.
    Da hörte er einen Schrei. Er kam von rechts oben, von der Johanniterbrücke her also, von der manchmal Burschen heruntersprangen, obschon sie fast zwanzig Meter hoch war. Diese Burschen pflegten jeweils zu schreien, aber anders, aus Übermut, aus Stolz, um die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen. Dies jetzt war ein anderes Schreien, ein gefährliches. Und als Hunkeler hinaufblickte, hing dort zwischen Brückengeländer und Wasserspiegel tatsächlich ein großer Vogel. Sein Schrei war verstummt, er flatterte voller Entsetzen, das war deutlich zu sehen, er ruderte mit den Armen. Er trug einen dunklen Anzug. Es war ein alter Mann, der offenbar nicht ins Wasser hineinwollte, aber er musste hinein, die Schwerkraft befahl es. Er schlug auf und verschwand.
    Hunkeler stand reglos. Er hielt sich mit beiden Händen am Geländer fest, er atmete nicht. An eine Bewegung war gar nicht zu denken. Er wartete, drei Sekunden lang, sechs Sekunden lang, die Zeit stand still. Der Wirbel, den der fallende Männerleib ins Wasser gerissen hatte, verlor sich, verschwand. Darüber stand schräg die Sonne, und von der Kleinbasler Seite war das ferne Horn des Feuerwehrautos zu hören.
    Dann endlich tauchte etwas auf, gut hundert Meter weiter unten. Ein Männerkopf war es, am Hals war eine Krawatte zu erkennen. Eine Hand erschien, ein Arm, ein dunkler Ärmel, der winkte, dann wieder verschwand. Der Männerkopf blieb auf dem grünen Wasser, tauchte dann wieder weg, erschien aufs Neue. Ein Schrei war nicht mehr zu hören.
    Hunkeler wunderte sich, dass er immer noch dastand am Geländer, nichts unternahm, nur schaute, nur schaute. Was da eben geschehen war, war unerhört. So unerhört,

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