0208 - Die sieben Leben des Vampirs
ihre Nerven.
Das wenigstens glaubte Angela. Denn sie wußte doch, daß es Vampire nur in Horrorfilmen und Romanen gab.
Den Vampir hingegen interessierte dieses Wissen der Künstlerin herzlich wenig.
***
Der Druide nahm den Silberstab wieder an sich und ließ ihn unter den Falten seiner weißen Kutte verschwinden. Mitleidlos starrte er den Vampir an, den er getötet hatte.
Krakow war zu einer Mumie verdorrt. Darin unterschied er sich grundlegend von anderen Vampiren, die im Tode zu Staub zerfielen. Aber der Vampir war tot, daran gab es keinen Zweifel.
Jeden noch so schwachen Lebensimpuls hätte der Druide sofort gespürt. Seine empfindlichen Sinne tasteten nach der Mumie.
Aber das magisch aufgeladene Silber hatte seine Wirkung gezeigt.
»Du saugst keinen Frauen und Mädchen mehr das Leben aus«, murmelte der Druide. Kurz überlegte er, was er mit dem Vampir anfangen sollte, dann beschloß er, ihn einfach liegen zu lassen. Die Wölfe würden sich der Mumie annehmen.
Der Druide wandte sich ab und schritt davon. Er warf keinen Blick mehr zurück auf die reglose, tote Gestalt. Für ihn war der Fall Krakow abgeschlossen.
Und Gryf, der Druide, kehrte zurück zu seinem kleinen Haus auf der Insel Anglesey, die in der alten Sprache der Cymry Mona heißt.
***
»Reiß dich endlich zusammen«, hatte Angela schließlich gefordert. »Du versäumst die Vorlesung! Außerdem ist es jetzt heller Tag, und da wird dich wohl kein Nachtgespenst überfallen.«
Aber Ulrica war nicht völlig bei der Sache. Zu intensiv war der Erlebnis am frühen Morgen gewesen, der intensive Traum, in welchem sie die sieben schwarzen Särge gesehen hatte, und direkt danach der offensichtliche Angriff der schwarzen Fledermaus. Ulrica Daning bewegte sich wie im Traum.
Angela Mosach hatte die Freundin kurz entschlossen in ihre »Ente« gepackt und zur Hochschule gefahren. Sie selbst wollte weiter und würde Ulrica nach der Vorlesung wieder abholen.
Während Ulrica noch ausstieg und Angela sie dabei sehr aufmerksam beobachtete und sich ihre eigenen Gedanken über das Verhalten der Freundin und Wohnungsgenossin machte, rollte neben ihnen eine schwarze Flunder aus. Im ersten Moment hielt Angela das Gefährt für einen italienischen Sportwagen und fragte sich, wer in aller Welt an der Hochschule so ein Geschoß fuhr, bis sie die Fahrerin erkannte. Manuela Ford, Studienkollegin aus früheren Tagen, mit ihrer Kapitalistenschleuder.
Manuela studierte immer noch Kunst, ließ sich aber sehr viel Zeit damit. Der leidenschaftlichen Lottospielerin war das Glück mehrmals hintereinander hold gewesen und hatte ihr zu nicht unbeträchlichem Vermögen verholfen, das sie geschickt in Haus und Garten und einigen anderen Dingen angelegt hatte. Hin und wieder traf man sich noch irgend wie und irgendwo und plauderte über alte Zeiten.
»Hallo«, lief Manuela und stieg aus. Auf der Beifahrerseite schraubte sich ein hochgewachsener blonder Mann aus dem Wagen, reckte sich mehrfach und schloß die Wagentür kopfschüttelnd. »Deutsche Kleinwagen«, murmelte er. »Nicht mal richtig ausstrecken kann man sich darin…«
Er sprach fast perfekt deutsch. Ein sehr schwacher Akzent deutete auf Amerika als Mutterland hin.
»Wen hast du denn da aufgegabelt, Manu?« wollte Angela wissen. Ulrica lehnte sich an den Citroën 2 CV und musterte den blonden Hünen, der etwa Mitte der 30 sein mußte. »Austausch-Student aus Amerika?«
Der Mann lachte.
»Daneben«, verkündete Manuela und hakte sich bei ihm ein.
»Das ist Bill Fleming. Er hält heute eine Gastvorlesung über aztekische Geschichte.«
»Ach du meine Güte«, murmelte Angela.
Manuela Ford deutete auf Ulrica. »Was ist denn mit dir los, Ulli? Du siehst ja so käsig aus!«
»Sie hat schlecht geträumt«, erklärte Angela an Ulricas Stelle.
»Schon ein paar Nächte hintereinander.«
»Vom Examen?« lachte Manuela.
»Von Särgen«, wehrte Ulrica matt ab. »Und heute morgen wollte mir eine Fledermaus ans Leder.«
Das war der Moment, in dem Bill Fleming sehr hellhörig wurde.
***
Das Wolfsrudel war weitergezogen, ohne sich um die verdorrte Gestalt zu kümmern, die irgendwo in der Taiga lag.
Irgend etwas hatte die wilden Räuber trotz ihres Hungers abgehalten, über die Mumie herzufallen und sie zu zerfleischen.
Es war, als spürten die Tiere die Schwingungen des Bösen, die immer noch von dem Körper ausgingen.
Der Tag verging. Der fahle Mond kroch wieder über den Horizont und warf seine tastenden Lichtschauer
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