0208 - Die sieben Leben des Vampirs
Er öffnete die Augen.
Und da sah er den Mann mit dem silbernen Amulett vor seinem Sarg stehen!
Nein! dachte Krakow ergrimmt und verzweifelt. Es darf nicht wahr sein! Selbst hier haben sie mich aufgespürt, hier, wohin keines Menschen Fuß jemals gelangen dürfte!
Wut entstand aus seiner Angst, Haß und Zorn. Er starrte seinen Gegner an und sammelte seine Kraft.
»Herzlich willkommen!« zischte er ihm zu. »Am Ort deines Todes! Wer bist du?«
»Ich bin Zamorra«, sagte der andere gelassen. »Kennst du mich nicht?«
»Ich kenne nicht jeden, den ich töte«, fauchte Krakow und richtete sich auf. Mit langsamen, vorsichtigen Bewegungen stieg er aus seinem Sarg. Er schauspielerte, erweckte den Eindruck schwach zu sein uns sich nur mühsam bewegen zu können. Um so überraschender wurde sein Angriff kommen…
Der war seine einzige Chance.
Aber da spürte er, wie sich etwas veränderte. Ein Schmerz kam von weit her, und da wußte er, daß jener Sarg in seinem Versteck im stillgelegten Bergwerk, der seine eigentliche Heimat war, gerade vernichtet worden war!
Sie hatten ihn gefunden!
»Ja«, schrie er. »Dieses Weib hat euch hingeführt… ich hätte sie sofort töten sollen, wie ich dich jetzt töte!«
Und er schnellte sich auf seinen Gegner. Prallte hart gegen den Mann, der keinen Schritt zur Seite machte. Zu spät erkannte Krakow, warum Zamorra ihm nicht ausgewichen war.
Körper an Körper stürzten sie, berührten einander, aber zwischen ihnen befand sich das Amulett, und durch die Wucht des Sprungs preßte Krakow es sich selbst gegen die Brust.
Der Schmerz reichte bereits aus, den Vampir zu töten, bevor sich die weißmagische Energie der Silberscheibe in sein kaltes Herz fraß. Krakow schloß die Augen, erkannte, daß seine Zähne nie wieder eine Wunde schlagen würden, und zerfiei zu Staub.
Im gleichen Moment erlosch Luzifers Energie. Die Grotte löste sich in Nichts auf, und der Mond, das bleiche Weltentor, spie Zamorra aus, wie er ihn vorher aufgenommen hatte.
Krakows sieben Leben waren vorüber.
***
Langsam rollte der vollbesetzte Sportwagen davon.
Vorsichtshalber hatten Bill und Nicole die Kleiderpäckchen von der Rückbank in den Kofferraum verfrachtet, sonst wäre es wirklich arg eng geworden. So ließ es sich aber ertragen.
Es regnete immer noch, und es sah nicht so aus, als würde der Schauer bald ein Ende finden. Wahrscheinlich wurde er bis in die Morgendämmerung hinein andauern.
»Jetzt haben wir es, einem eigenen Geständnis zufolge«, sagte Bill Fleming am Lenkrad des Bitter CD triumphierend, nachdem Zamorra seine Erzählung beendet hatte.
»Was denn?« fragte Zamorra auf dem Rücksitz mißtrauisch.
Bill grinste hinterhältig; Zamorra erkannte es am Zucken der Ohrläppchen.
»Fortan dürfen wir ungestraft und wahrheitsgetreu verraten, daß unser Freund Zamorra - wenigstens für zehn Minuten, aber immerhin! -- hinter dem Mond gelebt hat!«
Manuela lachte schallend; Zamorra, dem die wahre Bedeutung der Redewendung »hinter dem Mond leben« unbekannt war, konnte lediglich eine Teufelei vermuten und verlangte: »Fahr schneller, damit ich dir gleich die Ohren langziehen kann!«.
»Gib Gas«, stimmte auch Nicole ein, aber aus anderem Grund. »Ich friere! Es wird Zeit, daß wir aus unseren nassen Klamotten kommen!«
»Das kannst du natürlich auch sofort haben«, versprach Zamorra, und alsbald entspann sich auf der Rückbank eine zärtlichwilde Balgerei, die vor Manuelas Bungalow damit endete, daß Zamorra triumphierend »Gewonnen« schrie und eine splitternackte, wild strampelnde Nicole ins Haus trug. Das besaß ein geräumiges Gästezimmer, abschließbar und relativ schallisoliert, in dem Zamorra und Nicole die Gelegenheit nutzten, sich gegenseitig ausgiebig zu wärmen.
Daß draußen ein Hahn protestierend krähte und den neuen Morgen verkündete, interessierte niemanden…
ENDE
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