0208 - Die sieben Leben des Vampirs
haben.
Vorsichtig sah sie sich weiter um. Die Wände, zwischen denen sie sich befand, waren dunkel. Eine nicht gerade vertrauenerweckend aussehende Holztür war der einzige Zugang zu diesem Raum, in dem ein Sarg stand. Unwillkürlich mußte sie an ihre Traumvision denken, an die sieben Särge. War dies einer von ihnen? Aber nein, es war nicht möglich. Die sieben waren schwarz und glänzend gewesen, dieser aber war braun und schimmerte an einigen Stellen, wo das Kerzenlicht ihn traf, kaum merklich grün.
Wo bin ich? fragte sie sich. Im Versteck des Vampirs? Was hat er mit mir vor?
Das monotone Murmeln Krakows schwoll an, sein Ruf wurde stärker. Da begann Nicole etwas zu ahnen. Sie lag auf einem Tisch, vielleicht einem Opferaltar…? Wollte der Vampir sie dem Dämon als Morgengabe bieten?
Er selbst wurde vom Drudenfuß geschützt. Sie aber, Nicole, würde dem Dämon ungeschützt gegenüberstehen. Die Tür!
Sie spannte die Muskeln, wollte aufspringen, als aus dem Nichts ein greller Blitz aufflammte, heller als die Sonne, und in ihm etwas materialisierte, das schwärzer war als die Nacht. Der Dämon war gekommen…
***
»Was hast du vor?« fragte Bill.
Zamorra deutete in eine Richtung. »Dorthin ist Krakow verschwunden«, sagte er. »Zumindest, wenn Krischan richtig beobachtet hat.«
»Der ist genau so ein Blutsauger wie der Vampir«, knurrte Bill. »Ich kann mich nicht entsinnen, ihm die Zigaretten tatsächlich in die Hand gedrückt zu haben. Trotzdem ist er mit der ganzen Packung verschwunden.«
Manuela lachte. »Du solltest dir das Rauchen abgewöhnen«, schlug sie vor. »Dies ist die beste Gelegenheit.«
Bill zuckte mit den Schultern.
»Mehr als die Richtung wissen wir nicht«, fuhr Zamorra unbeirrt fort. »Aber da Nicole das Amulett trägt, können wir diese Richtung erfahren.«
»Es wird eine Brieftaube zu dir schicken«, spottete Bill.
»Es gibt eine parapsychishe Verbindung zwischen dem Amulett, Nicole und mir«, sagte Zamorra ruhig. »Ich kann es über eine bestimmte Entfernung hinweg zu mir rufen , und es folgt diesem Ruf selbst durch Felswände hindurch. Und wenn es wieder bei mir ist, wird es uns den Weg zu Krakow zeigen.«
»Uns?« fragte Bill mit einem Seitenblick auf, Manuela, die etwas in sich zusammenkroch. Sie wußte genau, wie Bill es meinte, wußte jetzt, daß sie zu einer unberechenbaren Gefahr geworden war. Jederzeit konnte Krakow zuschlagen und ihren Geist unter seine Kontrolle nehmen.
»Warum nicht?« fragte Zamorra. »Wenn wir aufpassen, können wir rechtzeitig reagieren. Und mit dem Amulett kann ich den Vampirkeim vielleicht abtöten.«
»Also schön, versuche es«, sagte Bill.
»Ich werde noch zehn Minuten warten«, sagte Zamorra. »Der Vamp ir hat sie bestimmt nicht entführt, um sie sofort zu töten. Das hätte er hier schneller haben können. Wer weiß, wie weit es bis zu seinem Unterschlupf ist. Ich möchte so sicher wie möglich sein, daß er sein Ziel bereits erreicht hat, wenn ich das Amulett zurückrufe.«
»Schön, wie du willst«, sagte Bill und schaltete das Autoradio ein. Disco-Rhythmus klang auf. »Ich werd' verrückt«, murmelte der Historiker. »Hör dir das an!«
»Meine Küsse sind Bisse, und von mir ein Kuß ist Vampirismus«, klang eine aufreizende Stimme aus dem Lautsprecher.
»Ei, wie trefflich erkannt«, spöttelte Zamorra und wartete den gesamten Song ab, bis die Ansage des Discjockeys erklang und ihm verriet, daß es sich bei der Sängerin um das aufstrebende Talent Sandra handele.
»Auch die Schlager-Branche reitet schon auf der Horrorwelle«, bemerkte Bill mißmutig. »Wenn die wüßten…«
»Gruseln ist in«, schmunzelte Zamorra. »Ich glaube, es ist an der Zeit, das Amulett zu rufen.«
Und er rief .
***
Nicole erstarrte. Sie sah einen wesenlosen Schemen und fühlte eine furchterregende Aura, die von dem Dämon ausging und sie lähmen wollte. Ihr wurde übel und schwindlig. Das Ungeheuer breitete die Arme aus.
»Wurm«, vernahm sie eine dröhnende Stimme, die vielfach in dem kleinen, dunklen Raum wiederhallte. »Warum hast du mich gerufen?«
»Ich rief nicht dich, sondern Luzifer!« schrie Krakow.
»Wurm, elender! Du glaubst, daß der KAISER sich deinetwegen bemüht? Er entsandte mich, und ich bin erzürnt! Wenn du wegen einer Nichtigkeit rufst, mach dich auf ein entsetzliches Sterben gefaßt!«
Krakow richtete sich auf. Seine Augen schienen zu glühen.
»Ich schloß einen Pakt mit Luzifer«, rief er. »Der Kaiser schenkte mir sieben
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