0209 - Ein Souvenir aus der Hölle
schönsten«, verteidigte sich Zamorra lahm.
Einmal kam der Mexikaner an ihnen vorbei, als er nach hinten ging, um das zu tun, was jeder irgendwann einmal tun muß. Leicht nur nickte er Nicole dabei zu, aber auf Zamorras Stirn erschien eine breite Querfalte.
Auf dem Rückweg machte der Fremde bei ihnen Halt. »Sorry, daß ich Sie anspreche… Sie fliegen auch nach Sidney?« Es war mehr Feststellung als Frage, und dann stellte er sich vor. »Josepe Pereira, aber meist werde ich nur Jos genannt.«
»Nicht José?« hakte Zamorra schnell nach. Der Schwarzhaarige lachte leise. »In Mexiko habe ich nur ein paar Jahre gelebt, länger aber in Florida… Sie fliegen geschäftlich nach Sidney?«
»Direkt aus Frankreich«, strahlte Nicole ihn an.
Pereira lachte wieder. »Das ist ja prachtvoll… und wieder mal ein Beweis, daß in Frankreich die schönsten Frauen leben! Aber jetzt will ich Sie nicht länger stören. Vielleicht sehen wir uns in Sidney wieder.«
»Vielleicht«, erwiderte Nicole. »Es gibt da einige sehr nette Restaurants, in denen man sehr preiswert und noch besser speisen kann.«
Da blieb er doch noch einen Moment stehen. »Sie kennen sich aus? Das ist ja prächtig! Wenn Sie gestatten, Monsieur«, er nickte Zamorra freundlich zu, »hänge ich mich vielleicht ein wenig an Sie, weil ich mich in Sidney überhaupt nicht auskenne!«
»Es wird uns ein Vergnügen sein«, strahlte Nicole an Zamorras Stelle.
Als Jos Pereira seinen Platz wieder gefunden hatte, zischte Zamorra Nicole zu: »Vordruck siebzehn!«
»Was soll ich damit?« fragte sie, weil es in ihrer Erinnerung keinen Vordruck siebzehn gab, mit dem sie jemals zu tun gehabt hätte.
»Antrag auf sofortige Kündigung ohne Gehaltsfortzahlung«, erklärte Zamorra.
»Du bist ein Biest!« fauchte sie ihn an. »Seit wann leidest du unter krankhafter Eifersucht, nur weil ich mich mit einem Fremden unterhalte, der mir nicht unsympathisch ist? Daß ich nur dich liebe, sollte dir doch hinlänglich bekannt sein!«
»Das schon…«, murmelte Zamorra so eigenartig betont, daß sie aufmerksam wurde. »Was ist denn los?«
Er schwieg eine Weile und sah sich um, aber die Boeing unterschied sich in nichts von anderen 727, die er kannte.
»Was los ist?« fragte er dann zurück. »Nichts, Nici… wenn es keine Bedeutung hat, daß Mister Jos Pereira ein Lügner ist.«
***
Nicole rückte von ihm ab, als lauere eine Schlange zwischen ihnen. Trotzdem war sie reaktionsschnell genug, nicht laut zu werden und ihre Überraschung zu überspielen.
»Woher willst du das denn wissen?«
Zamorra zuckte mit den Schultern, umarmte Nicole und zog sie wieder zu sich heran.
»Man geruhte seine Gedanken aufzufangen«, erklärte er flüsternd, damit nicht einmal die Passagiere vor und hinter ihm, geschweige denn zwei Reihen weiter vorn der gute Jos, etwas davon mitbekamen. »Als er behauptete, in Sid völlig fremd zu sein, blitzte in seinem Hinterkopf der komplette Stadtplan auf, und auch Erinnerungen an ein paar verschwiegene Winkel, von denen ich einen selbst wiedererkannte. Der Bursche kennt sich sehr gut aus. Und hast du übersehen, wie er uns auszuhorchen versuchte?«
»Er hat nur erzählt, daß er aus Florida stammt«, murrte Nicole.
»Und ganz locker gefragt, ob wir geschäftlich unterwegs seien… das wäre ja ganz normal, aber die Art und die Schnelligkeit, in der er das fragte -das war reine Taktik. Überrumpelungstaktik, Nici. Dieser Pereira hat irgend etwas vor.«
Nicole überdachte es schweigend.
Zamorra war kein Telepath, aber er besaß schwach ausgeprägte Para-Fähigkeiten, die ihm in bestimmten Situationen erlaubten, Dinge wahrzunehmen, die ein sogenannter Normalmensch nicht zu erfassen vermochte. In solchen Fällen konnte er, zum Teil unterstützt durch sein Amulett, auch Gedanken lesen. Und genau das hatte er bei Jos Pereira getan - nicht einmal absichtlich, sondern eher zufällig, weil tief in ihm doch etwas Eifersucht aufkeimen wollte. Eifersucht, die er jetzt wieder verdrängte, weil er Nicole doch kannte und genau wußte, daß sie ihm nicht untreu wurde!
Um so mehr ärgerte er sich, daß er einer ersten Stimmung nachgegeben hatte. Aber daß Jos gelogen hatte, war eine feststehende Tatsache. Er kannte sich in Sidney aus.
Unwillkürlich tastete Zamorra nach seiner Brust. Unter dem Hemd trug er das Amulett des Leonardo de Montagne, die handtellergroße Silberscheibe mit den seltsamen Verzierungen, die magische Kräfte unvorstellbaren Ausmaßes freizusetzen
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