0212 - Herr der roten Hölle
ging die Beine aus. Es war angenehm, sich einmal wieder fahren zu lassen. Genüßlich rauchte ich eine Zigarette.
Mir gefiel der Betrieb unserer Millionenstadt. Irgendwie hatte er mir gefehlt, und als der Wagen vor dem Yard Building gestoppt wurde, da fühlte ich mich richtig heimisch.
Als hoher Turm schob sich das Gebäude in den Himmel. Unser Büro lag im vierten Stock. Ich schaute ein paar Sekunden lang an der Fassade hoch und sah die zahlreichen Fenster im Sonnenlicht blitzen. Auch diese modernen Gebäude hatten ihre Schönheiten.
Der Kollege vom Empfang setzte ein freudiges Lächeln auf, als er Suko und mich sah. »Auch mal wieder im Lande?«
»Ja, mein lieber Leslie.«
»Und hoffentlich für länger«, sagte Suko.
»Ach, was ist an London denn schon dran?«
»Das werden Sie merken, wenn Sie mal längere Zeit nicht hiergewesen sind«, erwiderte ich.
»Kann sein.«
Der Lift brachte uns in den vierten Stock. Dickes Kreppapier lag auf dem Gang. Ich sah ein Gerüst und mehrere Leitern. Die Anstreicher machten Pause.
»Wenn wir noch länger wegbleiben, erkennen wir unseren Stall überhaupt nicht mehr wieder«, meinte Suko.
»Du sagst es«, erwiderte ich und stieß die Tür zum Vorzimmer meines Büros auf.
Glenda fuhr herum. Ich hatte bewußt nicht angeklopft. Fast hätte sie mit dem Ellbogen noch das Fläschchen mit dem Nagellack vom Schreibtisch geräumt.
Um Haaresbreite wischte der Arm daran vorbei.
»Himmel, John, hast du mich erschreckt!« rief Glenda und sprang auf, wobei sie mit den Händen wedelte, um den Lack auf ihren Fingernägeln schneller trocken zu bekommen.
Ich grinste. »Ja, ja, die große Zeit des Faulenzens ist vorbei. Wir sind wieder da, und jetzt geht es rund. Du kannst die Kaffeemaschine schon anstellen…«
»Ist bereits fertig«, sagte Glenda und begrüßte auch Suko. »Sein Tee ebenfalls.«
»Perfekt, perfekt, wirklich.« Ich nickte anerkennend. »Wie die ideale Ehefrau, oder was meinst du, Suko?«
»Wenn du das sagst.« Der Chinese verschwand in unserem Büro, um mit Shao zu telefonieren. Sie machte sich bestimmt Sorgen um ihren Freund, und Suko wollte sie nicht länger im Unklaren lassen.
Ich blieb noch bei Glenda und deutete auf ihren neuen blauen Rock, der aussah, als hätte jemand mit der Schere einige Fetzen herausgeschnitten. Allerdings konnte ich durch die Löcher nicht Glendas wohlgeformte Beine erkennen, sondern einen zweiten dünneren Rock von etwa der gleichen Farbe. Dieser Stoff glänzte ein wenig.
»Hast du den vom Lumpensammler geholt?« fragte ich.
Ihre Augen blitzten. »Du weißt mal wieder nicht, was in diesem Frühling en vogue ist?«
»Was bitte?« Ich legte meine Hand an das Ohr.
»Modern, meine ich.«
»Ach so. Der Pullover auch?« Er war weiß, ziemlich dünn und zeigte blaue Querstreifen.
»Der ist noch vom vorigen Jahr. Aber daran wirst du dich bei deinem kurzen Gedächtnis wohl kaum erinnern können.«
»Leider nicht. Kannst du mir noch mal verzeihen?« fragte ich betrübt.
»Ausnahmsweise.« Dann aber war sie an der Reihe. »Und du, John, siehst aus, als wärst du gerade aus einem Schlammloch gekommen. Von sauberer Kleidung hältst du wohl nicht viel.«
»Doch, aber meine Gegner nicht.« Suko und ich waren in der Tat noch nicht dazu gekommen, uns umzuziehen. Die Zeit reichte einfach nicht. Ich winkte Glenda zu und ging in mein Büro.
Auf der Schwelle blieb ich abrupt stehen. Erst jetzt dachte ich darüber nach, daß ich keinen Ton gehört hatte. Normalerweise hätte ich Suko, da die Tür nicht geschlossen war, reden gehört.
Das war nicht der Fall.
Und ich sah den Grund.
Mein Freund war viel zu perplex gewesen, um sprechen zu können. Er saß wie eine Statue hinter seinem Schreibtisch und hielt etwas in der Hand.
Die Dämonenpeitsche!
Schon oft in meinem Leben bin ich von irgendeiner Sache überrascht worden. Diese hier gehörte zu den außergewöhnlichsten. Zuerst glaubte ich, meinen Augen nicht trauen zu können. Ich wischte mir darüber, doch das Bild verschwand nicht. Suko saß tatsächlich hinter seinem Schreibtisch und hatte mit den Fingern seiner rechten Hand den Griff der Dämonenpeitsche umklammert.
Er starrte sie an, als wäre sie ein fremdes Wesen. Da war der dunkle, grünbraune Griff und die Öffnung, aus der normalerweise die Riemen fuhren, wenn der Chinese einen Kreis über den Boden schlug.
»Na so was«, sagte ich und ging in das Büro hinein. Neben Sukos Platz blieb ich stehen. Der Chinese reagierte nicht. Ich
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