0212 - Herr der roten Hölle
verschollen war. Kara befand sich immer auf der Suche nach ihm. Ihre Gegner hatten jedoch ein ausgezeichnetes Versteck gefunden, denn sie wußten genau, daß es gefährlich für sie werden konnte, wenn Kara den Trank des Vergessens zu sich nahm. Dann war sie in der Lage, ihren Geist vom Körper abzuspalten und Dämonenreiche zu durchwandern, die bisher dem menschlichen Auge verschlossen geblieben waren. Zwar konnten Kara und Myxin sich innerhalb eines magischen Feldes selbst an entfernt gelegene Orte teleportieren, aber die finstersten Dimensionen blieben beiden noch verschlossen.
Erst wenn Kara den Trank besaß, konnte sich dies ändern.
»Wenn irgend etwas geschieht, dann rufe mich«, sagte die Schöne aus dem Totenreich und verabschiedete sich nickend von den beiden so verschiedenen Männern, die jedoch ein gemeinsames Ziel hatten, die Vernichtung des Bösen.
Sie schauten Kara so lange nach, bis die zugeschlagene Tür sie verdeckte.
Olaf Sörskold sprach nicht mehr über sie, sondern hob den Kopf und schaute zur Decke. »Siehst du das Blut dort glänzen?« fragte er. »Und auch das an den Wänden?«
»Ja.«
»Das sind die Vorzeichen. Es ist das Blut der Gerechten, die unter der Knute des Herrn der roten Hölle ihr Leben lassen mußten. Nyrana ist mächtig, fast zu mächtig.«
»Ich warte darauf, bis er sich zeigt.«
Myxin hatte kaum ausgesprochen, als beide die Erschütterung feststellten, die durch das Felsgestein lief. Es hörte sich nach einer Explosion an, aber sie war nicht in der Höhle aufgeklungen, sondern irgendwo draußen.
Ängstlich duckte sich Olaf zusammen, und ebenso ängstlich schaute er zu Myxin hoch. »Das war es«, flüsterte er. »Nyrana hat sein Erscheinen angekündigt.«
Myxin sagte nichts. Aber er sah, daß die Blutnebel dichter wurden. Die Risse in den Wänden hatten sich vergrößert, sie waren zu regelrechten Spalten geworden, aus denen nicht nur der Nebel quoll, sondern auch das Blut stärker floß.
Und noch etwas war zu sehen. Unheimliche Erscheinungen leuchteten in den Felswänden.
Gesichter...
»Da!« schrie der alte Olaf, der die Gesichter ebenfalls gesehen hatte. »Da, sieh doch, sie schauen uns an. Aus den Felsen haben sich Gesichter geformt. Sie sind nicht tot, sie wollen…« Er brach ab, schluckte und preßte beide Hände gegen sein Gesicht, damit er durch die gespreizten Finger schauen konnte. In der linken Hüftseite knickte er ein und taumelte auf den Schreibtisch zu, ohne die Hände von seinem Gesicht wegzunehmen.
Myxin warf ihm einen kurzen Blick aus seinen unergründlichen Augen zu. Er bemerkte, daß dem Mann keinerlei Gefahr drohte. Deshalb konnte er sich unbesorgt an eine Untersuchung der Höhle machen. Ihn interessierten besonders die Gesichter in den Felsen.
Sie boten ein schauriges Bild, so wie sie aus dem Stein schauten, und sie waren nicht fest in die Wände integriert, denn sie konnten sich bewegen.
Ihre Augen rollten, die Lippen zuckten, ebenso die Wangen, so daß es schien, als wären sie aus Gummi.
Vor einem Gesicht, es war das eines alten Mannes, blieb Myxin stehen. Er hob den Arm, spreizte seine Finger und tastete über die untere Hälfte des Gesichts.
Es zuckte. Gleichzeitig wurde die Masse hart, und das Gesicht verwuchs mit dem Stein.
Als leere Maske blieb es zurück.
Selbst Myxin war von dieser Reaktion überrascht. Als er sich umdrehte, saß der Einsiedler an seinem Schreibtisch, hatte Arme und Beine ausgestreckt. Sein Gesicht war verzerrt, die Augen aufgerissen. Aus ihnen starrte er auf die Felswand und schrie: »Sie sind es. Ja, sie sind es. Die Gesichter der Gerechten, die all ihr Blut verloren haben. Sie kommen zurück. Sie wollen hilflos zusehen, wie Nyrana sich der Welt bemächtigt. Der Herr der roten Hölle ist nicht nah, er ist da. Ich… ich… ich.«
Sein letztes Wort endete in einem Schrei, denn aus einem der blutroten Nebelschleier flog etwas auf ihn zu.
Es war der braune Stab.
Haargenau traf es ins Ziel. Er durchbohrte die Brust des Einsiedlers so hart, daß er am Rücken wieder hinaustrat und die Spitze noch nachwippte.
Etwas Schreckliches geschah mit Olaf Sörskold. Sein Körper schrumpfte zusammen, als hätte man ihm sämtliche Säfte entzogen. Gleichzeitig drang aus seinen Poren das Blut, näßte seine Kleidung und tropfte schließlich zu Boden, wo es große Lachen bildete.
Nyrana verschwendete keinen Blick mehr an sein Opfer. Er trat aus dem Blutnebel und hatte sich Myxin, den kleinen Magier als nächstes Ziel
Weitere Kostenlose Bücher