0216 - Der Ripper kehrt zurück
Das kann noch schweren Ärger geben, mein Junge.«
»Für uns?«
»Nein, das nicht. Um den Ripper sollen sich andere kümmern. Und zwar die, die ihn damals nicht richtig haben ausschalten können. Wir halten uns da raus…«
***
Ich schaute auf das Haar, das Suko in seiner Hand hielt und wie ein dunkelbrauner Schleier nach unten wehte, der vom Wind leicht bewegt wurde.
»Der Ripper«, sagte mein Partner.
Ich nickte nur, sog an der Zigarette und ließ meine Blicke über die nachgebauten Fassaden des alten Soho streifen. Wir befanden uns im HORRORLAND, der neuen Attraktion für Groß und Klein, etwas außerhalb von London liegend, aber noch nahe genug der Stadt, dass der Park durch eine Autofahrt vom maximal einer Stunde erreicht werden konnte.
Haare und ein Zettel. Aber keine Leiche. Da gab es nur einen, der sich für diese Tat verantwortlich zeigte.
Der Ripper!
Aber er war tot. Er hatte sich sein Messer selbst in die Brust gerammt. Und wie von selbst glitten meine Gedanken zurück in die Vergangenheit. Es war noch nicht lange her. Ich sah das alte Haus vor mir, den Keller und die sieben toten Mädchen, die um einen Tisch herum verteilt saßen. Ihrer Haare waren sie beraubt. Sie hatten ein Bild geboten, das mich noch heute erschütterte, wenn ich daran dachte.
Der echte Ripper aus dem vergangenen Jahrhundert war es nicht, dem ich da gegenübergestanden hatte. Ernie Shane, so hieß der Ripper Nummer zwei, arbeitete im Zivilberuf als Reporter. Und er war immer als erster am Tatort gewesen, wo er dann die brandheißen Fotos für seine Zeitung schoss. [1]
Nachts, wenn er als Ripper unterwegs war, dann verkleidete er sich, wobei er sein brandrotes Haar unter einer Perücke versteckte, weil es zu verräterisch war. Man konnte ihn nicht direkt als einen Dämon bezeichnen, sondern eher als einen Triebtäter. Psychologen wären nach einer Untersuchung sicherlich zu dem Resultat gelangt, dass man ihn für seine Taten nicht verantwortlich machen konnte, weil er unter dem Druck eines anderen stand.
Und zwar im Bann des echten Rippers!
Er hatte ihn nie gesehen, aber Ernie Shane war immer von ihm fasziniert gewesen, und es war ihm gelungen, sich ein altes Bild zu besorgen, auf dem der Ripper gemalt war. In diesem düsteren Gemälde wohnte der Geist des echten Rippers.
Sein Körper war verfault, vergessen, aber der Geist irrte noch durch die Dimensionen und suchte sich einen neuen Gastkörper, den er in Ernie Shane gefunden hatte.
Da fielen mir auch wieder die letzten Worte des Reporters ein, als man ihn als Toten an mir vorbeigetragen hatte. Nicht nur ich hatte die Worte gehört, auch andere, die mich umstanden. Die Worte klangen noch in meinen Ohren nach, als wäre es erst gestern gewesen, obwohl fast ein Jahr dazwischen lag und ich auch nicht wusste, ob ich nun mit dem echten Ripper oder dem Geist des toten Reporters gesprochen hatte.
»Freu dich nur nicht zu früh, John Sinclair. Ich bin nicht tot. Mein Geist lebt. Irgendwann nehme ich Rache an dir…«
So oder ähnlich hatte er gesprochen. Mir lief es kalt über den Rücken, und ich trat meine Zigarette aus. Den Ripper hatte ich längst vergessen, zuviel war in der Zwischenzeit passiert. Nun hatte er sich auf brutale Art und Weise wieder in meine Erinnerung gebracht. Wie damals. Keine Leiche, nur das Haar und der Zettel. Wir hatten nicht nur die Aufgabe den Ripper zu fangen, sondern mussten auch noch die Tote suchen, wobei ich hoffte, dass es nur bei einer bliebe.
Beim ersten Fall waren es sieben gewesen!
Suko kam zu mir. Das Haar hatte er in eine Plastiktüte verstaut. Der Zettel hatte ebenfalls seinen Platz gefunden. Das Gesicht meines Partners war starr. Er ging mit mir ein wenig zur Seite, damit wir die Leute der Spurensicherung nicht bei der Arbeit störten.
»Wie damals, nicht?« sagte Suko.
»Leider.«
»Ist Ernie Shane zurückgekehrt?«
Ich hob die Schultern.
»Shane ist tot«, sprach Suko weiter. »Fragt sich nur, ob er das wirklich ist?«
Da hatte mein Partner ein wahres Wort gesagt, und wir mussten uns Gewissheit verschaffen. »Wo liegt er eigentlich begraben?«
Suko grinste schief. »Woher soll ich das wissen? Ich habe keine Blumen auf sein. Grab gestellt.«
»Wäre auch noch schöner«, gab ich zur Antwort und schaute auf den Arzt, der mir zugewinkt hatte.
»Was gibt es, Doc?«
Der Mediziner kam näher. Er trug einen karierten Hut und sah so aus, als würde er grinsen. »Das Haar stammt tatsächlich von einem Menschen«, erklärte er
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