0222 - Im Schloß der Riesen
Unfaßbare vergrößert.
Welche dieser Möglichkeiten war die richtige?
Auf der Marmor-Fensterbank standen Blumentöpfe. Die Gewächse darin glichen Dschungelpflanzen. Es fehlte nicht viel, und ein Saurier konnte sich zwischen ihnen wohl fühlen…
Angelique richtete sich auf und strich sich durch das seidige schwarze Haar. Sie sah an sich hinunter und erschrak.
»Warum bin ich nackt?« fragte sie sich.
Sie wußte, daß sie vorhin eine dünne Bluse und einen Tanga-Slip getragen hatte, nicht mehr, weil sie das Picknick doch direkt am Wasser machen wollten und es so heiß war. Aber warum hatte man ihr jetzt, während sie bewußtlos war, das Wenige, das sie trug, genommen?
Sie sah sich nach den Kleidungsstücken um, konnte sie aber nirgendwo entdecken.
»Sauerei!« schimpfte sie verärgert. »Das darf doch wohl nicht wahr sein! Soll ich etwa nackt hier durch das Schloß laufen?«
Eine dumpfe Unruhe erfaßte sie. Warum war sie hierhergebracht worden? Warum zertrat man sie nicht -wie Pierre? Was stand ihr bevor?
Sie sah wieder zum Fenster hinauf. Vielleicht war es angelehnt, vielleicht konnte sie nach draußen entkommen. Entschlossen kletterte sie an der Sofalehne empor und schwang sich zwischen die Blumentöpfe auf die Marmorplatte. Dann erreichte sie Fensterrahmen und Glas.
Sie konnte gerade über den Rahmen schauen und sah blauen Himmel und weit entfernt die Berge des gegenüberliegenden Loire-Ufers. Das war alles.
Und das Fenster war verschlossen. Der Griff befand sich in unerreichbarer Höhe in Verriegelungs-Stellung.
Auf diesem Weg kam sie nicht ins Freie. Selbst wenn sie versuchte, an einem der Pflanzenstengel emporzuklettern, würde sie den Griff weder erreichen noch bewegen können, und dann blieb es noch fraglich, ob sie das Gewicht der Fensterflügel bewegen konnte, um ihn zu öffnen.
Also Fehlanzeige.
Aber vom Fenster aus hatte sie einen besseren Überblick über das gigantische Zimmer, weil ihr Standort höher war. Sie sah die ein paar hundert Meter weit entfernte Tür. Sie stand weit offen und führte in einen prunkvoll ausgestatteten Korridor.
»Also dort entlang«, sagte sie zu sich selbst und ließ sich erst auf die Sitzfläche und dann auf den Teppich gleiten. Der Teppich war weich wie Rasen. Mit elastischen Schritten bewegte sie sich unter dem Tisch hindurch auf die Tür zu.
Mehrere hundert Meter…
Da wußte sie, daß die Flucht aus dem Riesenschloß sehr strapaziös und ermüdend werden würde - sofern sie ihr überhaupt gelang…
***
Zamorra kehrte zur gleichen Zeit wie Nicole zurück. Beide sahen sich an — und lachten. Beide trugen sie schwarze Trainingsanzüge, breite Ledergürtel, und hinter diese Handschuhe gesteckt. Vor Zamorras Brust hing wieder das Amulett, sein bester Schutz gegen dämonische Kräfte, und in einem flachen Futteral am Gürtel steckte eine eigentümliche Waffe, die wie eine Strahlenpistole aus einem utopischen Film aussah.
Und genau das war sie auch, wenn sie auch nicht aus einem Film, sondern aus einer anderen Dimension stammte…
»Vorhin gefielst du mir besser, Lady Nicole«, murmelte Erlik. »Ich werde deine Schönheit in einem Lied preisen…«
»Aber nicht hier und nicht jetzt«, knurrte Fürst Wilhelm. »Wenn wir fertig sind, könnt Ihr Euch im Wald austoben, falls die Hasen und Wölfe nichts dagegen haben.«
»Barbar«, murmelte der verhinderte Sänger.
Er warf einen prüfenden Blick auf den Rest Bier, vertilgte ihn mit einem gewaltigen Schluck und reckte sich. »Auf geht’s«, stellte er fest. »Wenn ihr fertig seid, können wir uns an die Arbeit machen.«
»Langsam«, mahnte Zamorra. »Erst einmal müssen wir genau wissen, wo und in welchem Zustand wir ankommen.«
»Das laß unsere Sorge sein«, erwiderte der Fürst. »Wir springen ein wenig diagonal durch die Zeit und den Raum und landen genau da, wo wir hin wollen…«
»Wo ist das präzise?« fragte Nicole. Der schwarze Anzug umfloß ihre schlanke Gestalt schmeichelnd und formte die Kontur ihrer festen Brüste sanft nach. Mit einer nervösen Handbewegung schloß sie den Reißverschluß etwas weiter.
»Präzise an eben dieser Stelle, an der wir jetzt stehen - nur in einer anderen Dimension und, wie ich schätze, drei oder vier Minuten in der Zukunft.«
»Aber in welcher Zukunft?« knurrte Erlik grimmig. »Verschätzt Euch nicht wieder so, Fürst, wie beim letzten Mal, als Ihr erst eintraft, nachdem das Bier ausgegangen war…«
»Ihr wißt genau, daß ich immer der erste bin«,
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