0226 - Tokatas Erbe
daß sie von der Sonnengöttin abstammt.«
»Ich kann das nicht glauben«, erwiderte ich und schüttelte demonstrativ den Kopf. »Es wäre ein wenig viel des Guten. Glenda hat eine Hexe im Stammbaum gehabt, bei mir stimmte auch etwas mit einem Ahnherrn nicht, und jetzt soll Shao, die Chinesin, von einer japanischen Sonnengöttin abstammen.«
»Das ist doch möglich.«
Ich blickte Suko direkt ins Gesicht und sah den Schmerz darin eingegraben.
»Natürlich ist das möglich. Alles ist möglich, da sage ich auch nichts, aber daß es irgendwie das gesamte Sinclair-Team treffen soll, will mir nicht in den Kopf.«
»Wer weiß schon, wie die Mythologien entstanden sind«, philosophierte Suko mit trauriger Stimme. »Ich jedenfalls nicht. Und vielleicht hat es früher mal eine Mythologie für zwei Völker gegeben. Chinesen und Japaner, da stand dann die Sonnengöttin Amaterasu so ziemlich mit an der Spitze.«
»Du kannst es glauben oder auch nicht. Wir müssen uns mit den Tatsachen abfinden, und die sehen trübe aus. Shao ist verschwunden, und keiner von uns weiß wohin?«
»Der hat sie in eine andere Dimension geschafft«, sagte Suko.
»Sicher. Aber in welche?« Da waren wir beide überfragt.
Ich reichte meinem Freund die Hand und zog ihn von der Pritsche. Suko sah aus, als könnte er sich kaum auf den Beinen halten. Ich verstand meinen Freund und fühlte innerlich mit. Er mußte in diesen Minuten unheimlich viel durchmachen. Ein geliebter Mensch war eiskalt gekidnappt worden. Was das bedeutete, das hatte auch ich erlebt, denn vor nicht allzu langer Zeit war es mir ähnlich ergangen mit Jane Collins.
Auch da hatte das Schicksal eiskalt zugeschlagen. Der Geist des Rippers war in den Körper der Detektivin gefahren, hatte sie zum Bösen bekehrt, und so etwas nutzte Wikka, die Oberhexe, immer aus. Sie war ständig auf der Suche nach Dienerinnen, nun hatte sie in Jane Collins eine neue gefunden. Die Detektivin wehrte sich auch nicht dagegen, sie ließ es geschehen, daß Wikka sie in diesen Reigen mit einbezog.
Ich hatte damals ähnliches durchgemacht wie Suko heute. Am Boden zerstört war ich gewesen, völlig down; regelrecht abgeschlafft, wie man immer sagt, und es hatte tatsächlich Tage gedauert, bis ich den Schock einigermaßen überwand. Gefunden hatte ich Jane noch nicht.
Nach wie vor trieb sie sich mit Wikka irgendwo herum und wurde von ihr wahrscheinlich noch tiefer in die höllische Magie der Hexenkunst eingeweiht.
Jetzt erging es Suko ähnlich, wobei ich mich zu fragen begann, ob es überhaupt gut war, daß wir uns bei unserem Job näher an eine weibliche Person banden.
An der Tür war der Chinese stehengeblieben. Er trug noch immer seine Badekleidung.
»Die Frage ist, was wir jetzt machen sollen?« murmelte er.
»Wie holen wir Shao zurück?«
»Zieh dich erst einmal an«, sagte ich.
Auch bei der Hitze hatte Suko auf seine Motorradkluft nicht verzichtet. Seine und Shaos Sachen lagen, wohlgeordnet auf der Bank. Er streifte sie über. Ich packte mir Shaos Kleidung über den Arm, um sie in meinem Bentley mitzunehmen.
»Kannst du überhaupt fahren?« wandte ich mich an meinen Freund.
»Und wie.« Suko stieß die beiden Worte knirschend hervor.
Für mich ein Beweis, daß er den ersten Schmerz so langsam überwand. Was es noch an polizeilichen Dingen zu regeln gab, besprach ich mit den Beamten. Viel war es nicht. Wenn Fragen auftauchten, sollte man mich beim Yard anrufen.
Dann gingen wir.
***
Im Wagen herrschte eine Backofenhitze. Der Schweiß brach mir prompt aus allen Poren, und irgendwie hatte ich keine Lust, überhaupt zu fahren. Ich überwand den inneren Schweinehund und startete. Suko hängte sich an mein Heck.
Zwei deprimierte Geisterjäger fuhren durch London. Zwei Männer, die bisher der Hölle getrotzt hatten und jetzt mehr als ratlos waren. Wir setzten uns in meiner Wohnung zusammen und beratschlagten. Mir kam die Idee mit Sukos Vettern.
»Du kennst doch Land und Leute«, sagte ich. »Kannst du da nichts machen? Hast du keinen Bekannten, der sich in der Mythologie des alten Japan auskennt?«
Suko zeigte mir ein flaches Grinsen.
»Du meinst meine zahlreichen Vettern, John?«
»Genau.«
»Das sind alles Chinesen«, erwiderte er. »Und wie du sicherlich weißt, haben sich Japaner und Chinesen nie sehr gut verstanden, die haben oft gegeneinander Kriege geführt, den Tatsachen müssen wir ins Auge sehen. Ich glaube kaum, daß wir bei meinen Vettern etwas erreichen können.«
»Wer hilft
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