023 - Der Kopf des Vampirs
»Hier in diesem Wohnblock sind Menschen, das spüre ich. Komm, suchen wir uns eine Wohnung aus.«
Die furchtbaren Qualen des Hungers ließen Ndoyo an nichts anderes mehr denken.
Der Doppelkopf-Vampir verließ die Wohnung des Spediteurs. Auf der gleichen Etage befanden sich drei weitere Wohnungen. Vor einer von ihnen blieb der Doppelkopf-Vampir stehen. Rosqvana witterte angespannt.
»Es sind Menschen drin«, sagte er schließlich leise. »Zwei Menschen. Nahrung für uns beide.«
Der Doppelkopf-Vampir schritt durch die geschlossene Tür, als sei sie nicht vorhanden. Küche, Bad und Wohnzimmer der gutgeschnittenen Drei-Zimmer-Wohnung waren leer. Vor der Schlafzimmertür blieb der Doppelkopf-Vampir stehen. Diesmal öffnete er die Tür leise einen Spalt.
Ein junges Paar lag im Bett. Ein blonder Mann hatte seinen Arm um eine rothaarige, vollbusige junge Frau gelegt und rauchte eine Zigarette. Die Gesichter der beiden waren entspannt und glücklich. Da stürzte der Doppelkopf-Vampir ins Zimmer, mit rotfunkelnden Augen, die Vampirzähne gebleckt.
Die beiden Menschen schrien erschrocken auf.
Über dem Bett hing ein einfaches goldenes Kreuz. Der zweiköpfige Vampirkopf zuckte zurück, aber nur einen Augenblick; dann ergriff er ein Kopfkissen und fegte das Kreuz mit einem Schlag von der Wand; es fiel auf der anderen Seite neben das Bett, wo der Vampir es nicht sehen konnte. Der junge Mann sprang auf. Er hatte einen sportlich durchtrainierten, muskulösen Körper, aber das half ihm nichts. Der Vampir rang ihn nieder.
Die Rothaarige schrie wie am Spieß. Der Vampir packte mit der Linken den jungen Mann an der Kehle, mit der Rechten das rothaarige Mädchen. Beide waren nackt, die Bettlaken zerwühlt; die Zigarette des jungen Mannes verglimmte auf der Bettdecke.
Der Doppelkopf-Vampir hielt die beiden eisern umklammert. Sie schlugen und traten um sich, aber es nützte ihnen nichts; das Ungeheuer war stärker. Rosqvanas Kopf näherte sich dem Hals des jungen Mannes, Ndoyos Kopf dem des Mädchens. Die beiden Köpfe schlugen ihre Zähne in die Hälse ihrer Opfer. Ihr Widerstand erlosch.
Gierig schlürften sie das Blut ihrer Opfer. Sie tranken und tranken; der Körper des Monstrums sog sich voll mit Blut wie ein Schwamm, bis die beiden unglücklichen Opfer keinen Tropfen von dem roten Lebenssaft mehr in den Adern hatten. Dann richtete sich das Ungeheuer auf, wohlig ächzend, mit blutverschmierten Mündern. Der Kopf Ndoyos und der Kopf Rosqvanas sahen sich an.
»Guuuut«, röchelte Rosqvana. »So lange entbehrt.«
Ndoyo stöhnte nur.
Der Doppelkopf-Vampir taumelte und fiel gegen die Wand. In seiner Gier hatte Rosqvana nach der langen Enthaltsamkeit viel zu viel Blut getrunken, und Ndoyo war als Novize seinem Beispiel gefolgt. Der Doppelkopf-Vampir befand sich in einem Zustand, der beim Menschen dem letzten Stadium der Trunkenheit gleichkam. Seiner Sinne nicht mehr mächtig und völlig benommen, taumelte er aus dem Schlafzimmer, wo die beiden blutleeren, bleichen Toten auf dem Bett lagen, reglos, die Gesichter zu einer schrecklichen Grimasse des Entsetzens verzerrt.
Das Ungeheuer, das sie auf dem Gewissen hatte, torkelte aus der Wohnung. Der Doppelkopf-Vampir tastete sich an den Wänden entlang zu der Wohnung des Spediteurs, wo er schwer übers Bett fiel und liegenblieb. Ein paar Blutstropfen rannen aus seinen Mündern. Das Ungeheuer schlief nicht, aber es war in einem Trancezustand, der dem der Bewußtlosigkeit ähnelte und so lange anhielt, bis der überschüssige Teil des genossenen Blutes verarbeitet war.
In der Wohnung nebenan aber machte das junge Paar die Metamorphose zu Vampiren durch. Die beiden jungen Leere erhoben sich, bleich die Gesichter, glühend die Augen. Lange Vampirzähne waren ihnen gewachsen.
Die ungeheuerlichen Kreaturen begannen zu schreien und zu wimmern. Anders als der Doppelkopf-Vampir, der ein echter Dämon war, hatten sie dem Sonnenlicht nichts entgegenzusetzen. Es zerstörte das magische Gewebe ihrer Körper. Sie lösten sich auf; nur ein wenig Staub blieb zurück.
Die Suche Dorians, Cocos und Cohens nach dem Doppelkopf-Vampir war erfolglos verlaufen. Er ließ sich nirgends finden. Nach dem Frühstück hielten die drei von der Inquisitionsabteilung im Doppelzimmer Dorians und Cocos Kriegsrat. Sie hatten alle drei wenig geschlafen, aber starker Kaffee und ein gutes Frühstück hatten sie aufgemöbelt.
»Zaander hat uns und noch mehr Rosqvana hereingelegt«, sagte Dorian. Er saß am Fenster,
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