0238 - Belphégors Rückkehr
Besucher noch mehr auf, spitzte sie an und sorgte dafür, daß die Besucher mitlitten und mitgingen.
Der Film zog alle in seinen Bann.
Bis auf Tanith. Sie behielt wohl als einzige den Überblick, und sie sah auch, daß sich etwas veränderte.
Auf der Leinwand lief nach wie vor der Film, aber im Zuschauerraum geschah es.
Jeder einzelne wurde davon betroffen, auch Tanith machte da keine Ausnahme.
Flammenzungen entstanden.
Kleine, winzige Lichter zuerst, und sie schwebten vor den Gesichtern der Zuschauer.
Auch Tanith sah das blasse Feuer, das zwischen ihrem Gesicht und dem Hinterkopf des Vordermanns zitterte. Es war eine winzige Flamme, nicht einmal halb so groß wie ein Finger, doch von ihr ging eine nahezu hypnotische Kraft aus, denn Tanith merkte genau, daß fremde Gedanken in ihr Hirn eindringen und die Initiative übernehmen wollten.
Es hatte nichts mit der Musik zu tun. Diese Ströme waren andere, gefährlich, und vielleicht sollte die Musik nur dazu beitragen, die Menschen für die anderen Gedanken aufgeschlossener zu machen und ihren eigenen geistigen Widerstand zu brechen.
Tanith fiel auf, daß es ihr selbst schwerfiel, dagegen anzukämpfen. Die kleine Flamme vor ihren Augen hatte eine hypnotische Kraft. Sie brannte ruhig, fast blaß, aber Tanith schien es, als wäre sie der Katalysator, der das Fremde verstärkte, damit es in sie eindringen konnte.
Der Hellseherin brach der Schweiß aus. Sie saß starr auf dem Sitz, hatte die Hände in die gepolsterten Lehnen verkrallt und bekam von dem Film kaum etwas mit.
Die Stimmen und die Musik hörte sie nur noch im Unterbewußtsein, die andere Kraft rückte immer stärker in den Vordergrund, sie wollte Besitz von den Zuschauern ergreifen.
Tanith atmete schwer und heftig. Ihre Brust wogte unter dem Pullover. Sie versuchte, eine gedankliche Sperre zu errichten, damit die fremde Kraft abprallen konnte, aber es gelang ihr nicht so recht. Sie hatte es mit einer ungemein kräftigen Magie zu tun, das merkte sie immer stärker. Und allmählich stieg ein Gefühl der Angst in ihr hoch. Verzweifelt bemühte sie sich, den Blick von der Flamme abzuwenden.
Sie wollte auf keinen Fall mehr auf dieses zuckende blasse Feuer schauen, aus dem das Böse strahlte und sie zu überschwemmen drohte.
Was die anderen nicht schafften, das gelang Tanith. Sie widerstand den fremden Gedanken. Es fiel ihr zwar ungemein schwer, doch die Sperrbarriere konnte sie aufrichten.
Die Hellseherin drehte ihren Kopf. Plötzlich schaute sie nicht mehr auf die in der Luft schwebende Flamme, ihr Blick war jetzt auf die mit Stoff überspannte Wand gerichtet, wo die Notbeleuchtung brannte. Eine trübe Birne, kopfhoch über dem Boden, verstreute ihr Licht und schuf eine Insel aus rötlich milchiger Helligkeit.
Mit dem linken Arm stemmte sich die Frau hoch. Zum Glück saß sie am Rand, so daß sie ihren Sitz verlassen konnte und in den Gang neben der langen Reihe torkelte. Fast wäre sie gefallen, denn ihre Beine gaben nach. Kraftlos war sie geworden, und sie hielt sich an der Wand, um überhaupt auf den Beinen zu bleiben.
Dabei atmete sie schwer. Es war mehr ein Keuchen, ein Würgen und Ächzen. Sie schüttelte sich, Schweiß bedeckte ihr Gesicht, die Knie waren weich geworden, die Knochen schienen aus Gummi zu bestehen. Sie mußte sich einfach ausruhen.
Dabei richtete sie ihren Blick zu Boden. Auf keinen Fall wollte sie die Flammen anschauen, die vor jedem Gesicht schwebten und den Geist der Menschen in ihre Gewalt zwangen.
Auf der Leinwand rollte das Geschehen weiterhin ab. Pink Floyd räumte auf. Der hämmernde Sound erreichte die Zuschauer und ihre Gehirne, die jedoch von dem Geist eines anderen längst in Besitz genommen waren.
Belphégor kündigte sein Kommen an. Er hatte die Flammen geschickt, und sie taten ihre Pflicht.
Die Feuerzungen gehorchten dem Hexer mit der Flammenpeitsche. Tanith, die Hellseherin, mußte mit Schrecken ansehen, wie sich die Flammen bewegten und auf die Gesichter der Menschen zustießen.
»Nein!« schrie die Frau. »Nein…!«
Ihre Warnung hörte niemand oder wollte niemand hören, denn die Feuerzungen verschwanden zwischen den Lippen der Menschen und wurden von ihnen geschluckt.
Belphégor hatte einen großen Teil des dämonischen Ziels erreicht. Die Menschen gehörten ihm.
Der gesamte Vorgang lief in einer erschreckenden Lautlosigkeit ab. Hatte Tanith noch kurz zuvor das Gefühl gehabt, Film und Besucher würden eine Einheit bilden, so stimmte das nicht
Weitere Kostenlose Bücher