0239 - Das Erbe des Zauberers
Brille, dem skuril zugeschnittenen Bärtchen und den am Vorderteil des Kopfes lichter werdenden Stellen war dies nicht von der Hand zu weisen.
Überall vor sich, hinter sich und neben sich hörten sie Rascheln in den Büschen. Sie waren also nicht die einzigen heute nacht im Wald. Es war wirklich so, daß die Trommeln ihren Ruf aussandten. Und daß Menschen diesem Ruf folgten…
Sie beschlossen flüsternd, sich still und unauffällig zu verhalten. »Neger!« flüsterte Stanton. »Das bedeutet Voodoo-Zauber. Wir müssen uns tarnen. So!« Seine Hand griff in den knöcheltiefen Schlamm, durch den sie gerade wateten. Professor Zamorra verstand sofort. Er überwandt seinen Ekel und griff ebenfalls in den Matsch. Es war unangenehm klebrig, als er den dunklen Schlamm sich im Gesicht verschmierte. Die weißen Konturen der Haut verschwanden.
»Jetzt können wir bei irgendeinem Negerhäuptling Haremswächter werden oder im Ruhrpott auf der Zeche als Kumpels anfangen!« lachte Stanton lautlos, als er ihre Verwandlung sah.
»Halt den Mund und komm in die Gänge!« gab der Professor leise zurück. »Und daß du ja nicht ›Massa Zamorra‹ zu mir sagst!« fügte er lustig-drohend hinzu. Aber Stanton winkte schon zum Weitergehen. Ohne Pause kämpften sie sich durch das dichte Gestrüpp, das auf dem Boden des Urwaldes regierte. Keiner sagte mehr ein Wort. Nur ihr Atem ging keuchend von der Anstrengung.
Lauter wurde das Wummern der Trommeln. Mächtiger schwoll eine Art Gesang an, den sie vorher nur als Einbildung ihrer überreizten Fantasie angesehen hatten. Immer wieder wurden sie von schnellfüßigen Gestalten überholt, die ihnen eine Art Gruß zuzischelten. Jeder schien in höchster Eile begriffen zu sein.
Denn niemand wollte den Beginn der Opferriten versäumen…
***
Als sie die Augen aufschlug, sah sie ein vertrautes Gesicht. Aber es war nicht mehr das der Freundin aus den Jugendtagen; das Gesicht der stets treuen, schwarzen Dienerin. Aus den Augen loderte ihr eine Glut entgegen, die aus dem Inneren der Erde zu kommen schien.
»Dolores!« keuchte Christiana. »Du bist hier…«
»Ja, mein Täubchen!« hechelte die uralte Negerin und ließ kein Auge von der nackten Mädchengestalt. »Habe ich dir nicht gesagt, daß ich es bin, die dich für den Altar der Götter bereitet? Du hast mir nicht geglaubt. Aber du wirst es glauben müssen. Hörst du den Sang der Trommeln? Sie singen das Todeslied für dich!«
Schauerlich hallte die Stimme der Alten durch die Hütte. Vor Grauen schloß Christiana die Augen. »Gleich«, dachte sie, »gleich werde ich aufwachen, in meinem Bett liegen und über diesen fürchterlichen Alpdruck lachen!«
»Nein, mein Hübsches!« meckerte die Stimme, »du träumst nicht. Und ich danke den Göttern des Voodoo und den Ju-Ju-Dämonen, daß sie mir die Ehre zuteil werden ließen, dich als Opfer für den Altar zu richten. Schrei nun oder schweig still. Niemand wird dir hier zu Hilfe kommen.«
Verzweifelt versuchte Christiana sich aufzurichten. Aber ihre Hände und Füße waren gebunden, während sie mit gespreizten Armen und Beinen auf einem Tisch lag.
Die Hand der Alten fuhr in kreisenden Bewegungen über ihre Füße. Sie schien so etwas wie eine Salbe oder Creme aufzutragen. Christiana hätte nicht zu sagen vermocht, was es war. Es prickelte auf der Haut, war aber nicht unangenehm. Die alte Negerin schien nach einem bestimmten System vorzugehen, es war dem Mädchen, als würden ihr Zeichen und Symbole in ungleichmäßiger Reihenfolge auf die nackte Haut geschrieben. Sie konnte ihren Kopf nicht heben und nachsehen, was das alles bedeutete.
Und die Hände der Uralten krochen höher.
»Dolores! Nicht!« stöhnte Christiana, als die Finger zwischen ihren Oberschenkeln herumtasteten, um auch hier irgendwelche unheilige Zeichen anzubringen. Der Körper des Mädchens bebte auf und ab, wie von Fieberschauern geschüttelt.
»Nein, Dolores!« Aber die Fesseln hielten den sich windenden Mädchenkörper. Einen eigentümlichen Singsang murmelnd fuhr die alte Negerin in ihrer Tätigkeit fort.
Als die knochengleichen Finger ihre festen Brüste zu massieren begannen, faßte sich Christiana ein Herz.
»Was habt ihr mit mir vor, Dolores?« stöhnte sie und versuchte vergeblich, sich den Fingern zu entziehen, die da so schamlos über ihren Körper griffen. »Nicht wahr, ihr werdet mich nicht töten?«
In den Augen von Dolores glomm es wie in denen einer Katze.
»Hier, an dieser Stelle«, der spitze
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