0241 - Der Pesthügel von Shanghai
das brackig zwischen den Pflanzen schimmerte.
Auch über den Feldern lagen bereits die braunen Dämpfe. Der Wind hatte sie von den Pesthügeln her über das Dorf hinweg und auf die Felder getrieben.
Die Luft war kaum zu atmen. Ich hatte einen Geschmack im Mund, den man gar nicht beschreiben konnte, und meinen Freunden erging es sicherlich nicht anders.
Wir mußten uns links halten, liefen über einen Trampelpfad, der bereits anstieg, an Höhe gewann und zwischen die seltsamen Terrassenfelder führte, wo auch die Einwohner warteten.
Sie winkten uns zu. Ich sah, wie eine Frau die Hände über dem Kopf zusammenschlug und in die Knie brach. Später erfuhr ich, daß sie die Mutter des Kindes war, das Suko auf seinen Schultern trug.
Ihre Reaktion war ein Ausdruck der Erleichterung gewesen.
Ein Mann lief uns entgegen. Es war Ai-Fu-Tschi. Für sein Alter bewegte er sich erstaunlich gewandt und atmete kaum schneller, als er vor uns stehenblieb.
Er sprach auf Suko und Quen ein. Ich verstand kein Wort und ließ mir die Sätze übersetzen.
»Er ist froh, daß wir es geschafft haben«, erklärte Suko, wobei er sich bückte und das Kind von den Schultern drückte. Die Kleine hatte kaum den Boden berührt, als sie losrannte und ihrer Mutter entgegenlief.
»Frag ihn mal, ob wir etwas tun können!« sagte ich zu meinem Partner.
Suko wandte sich wieder an den Alten. Er redete eindringlich, sein Gesicht war ernst, und er sprach auch länger mit ihm, so daß ich Zeit hatte, mich umzuwenden und einen Blick hinunter in das Tal zu werfen, wo das Dorf zu unseren Füßen lag.
Das zerstörte Dorf, mußte ich sagen, denn wir bekamen mit, wie weitere Häuser ineinanderfielen.
Dies wirkte gespenstisch, da wir uns ziemlich hoch befanden und kaum Geräusche mitbekamen. Ich hatte dabei das Gefühl, einen Zeitlupenfilm zu erleben. Das Dorf wurde von unheimlichen, in der Erde wohnenden Kräften zerstört. Sie rissen Mauern nieder, deckten Dächer ab und ließen gelblich schimmernde Staubwolken in die Höhe wallen.
Dazwischen sahen wir die Untoten.
Sie hatten etwa die Hälfte des Weges hinter sich gelassen und schritten auf das Dorfende zu.
Mir war klar, daß sie auch den Weg, der zu den Terrassen führte, hochkommen würden.
Eine schnelle Entscheidung wurde verlangt.
Suko tippte auf meine rechte Schulter. Er hatte mit dem Weisen geredet, und der Mann war jetzt verstummt.
Auch Quen hörte zu, was mein Freund zu sagen hatte, denn zuvor hatte der Agent der Unterhaltung nicht gelauscht, sondern die Leute weiter noch auf den Hügel geschickt.
»Eigentlich geht es um den Jademann«, sagte Suko.
»Wieso?«
»Ai-Fu-Tschi sagt, daß er der große Dreh- und Angelpunkt in diesem höllischen Spiel ist!«
»Das heißt, wir müssen ihn ausschalten.«
»Genau.«
»Aber wie?«
»Ai-Fu-Tschi hat da eine Idee gehabt«, murmelte Suko und schaute mich mit gerunzelter Stirn an. »Er sagt, daß wir unbedingt den Jademann locken müssen, denn er ist der Anführer. Wenn wir ihn vernichten, könnten sich die anderen wieder in ihre Sümpfe zurückziehen…«
»Um irgendwann wiederzukommen«, fiel ich meinem Freund ins Wort.
»Laß mich ausreden, John. Oder um für immer zu zerfallen. So sprach der Weise.«
»Hat er irgendwelche Vorschläge gemacht, wie wir dem Jademann an den Kragen gehen können?«
»Auch das.« Suko atmete tief ein. »Ich weiß aber nicht, ob wir darauf eingehen sollen.«
»Sag schon.«
»Jemand muß sich opfern!«
Vier harte Worte, die der Inspektor da ausgesprochen hatte. Ein Mensch sollte sein Leben lassen, um andere Leben zu retten. War das möglich? Konnte ich auf so etwas eingehen? Meine Stimme klang rauh, als ich fragte: »Wer soll derjenige sein, der diesen schweren Gang antritt?«
»Ai-Fu-Tschi hat dabei an sich selbst gedacht«, erklärte mir Suko. »Keinem anderen wollte er so etwas zumuten. Er habe lange genug gelebt, und wenn er sein Leben mit dieser Tat abschließen könne, wäre das für ihn eine Erfüllung.«
Welche Worte sollte ich dafür benutzen? Es war eine Geste, die man sich kaum vorstellen konnte, nicht in einer Zeit wie dieser, wo Märtyrer wahrlich dünn gesät sind. Da wollte dieser alte Mann sein Leben hingeben, um andere zu retten.
Welch eine Tat!
»Gibt es keine andere Möglichkeit?« erkundigte ich mich.
»Nein, John. Wir haben viele durchgesprochen, doch zu einem Ergebnis sind wir nicht gekommen. Wenigstens nicht zu einem anderen. Es bleibt bei dem Opfergang.«
Ich trat einen Schritt zur
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