0243 - Die Schädelkette
unser Ziel?
Gern hätte ich es gewußt, doch ich traute mich nicht, den Eisernen Engel zu fragen. Neugierde mochte er nicht. Ich würde es schon früh genug merken.
Hinzu kam noch die absolute Stille. Sie wurde nur unterbrochen, wenn der Eiserne seine gewaltigen Flügel bewegte. Ein Schlag reichte aus, um ihn wieder weiterzutransportieren. Seltsamerweise hörte ich kein Rauschen der Luft. Wir schienen durch ein Vakuum zu fliegen.
Der grüne Lichtschein rückte näher. Er breitete sich jetzt nach allen vier Richtungen hin aus, fiel auch in die Tiefe, berührte dort etwas, und ich bekam große Augen, als ich dies sah.
Es waren Bergspitzen.
Ich kannte zahlreiche Gebirge: die Alpen, die Pyrenäen, die Rocky Mountains. Solche Berge, wie ich sie jetzt zu sehen bekam, waren mir allerdings unbekannt.
Die Bergspitzen wirkten seltsam schmal und scharf, erinnerten mich sogar an Lanzenenden, so hart stachen sie in den grünen Himmel.
Spitze befand sich neben Spitze. Sie bildeten eine regelrechte Kette aus Gipfeln, und sie schimmerten in diesem intensiven Grün.
Eine seltsame Welt, in die mich der Eiserne Engel da brachte. Aber er würde schon seine Gründe dafür haben.
Ein wenig änderte er die Richtung. Ich bekam einen anderen Blickwinkel und wurde abermals überrascht.
Rechts von mir sah ich die gleichen Berge. Auch sie stießen scharf und spitz in den grünen Himmel, und sie sahen fast genauso aus wie ihre Gegenüber auf der von mir aus gesehen linken Seite.
Zwei Bergketten, die sich gegenüberlagen. Dazwischen eine Schlucht.
Die Schlucht der stummen Götter…
***
Der Juwelier war pünktlich.
Von Peter van Dyck wurde er mit einem knappen Kopfnicken begrüßt und ins Haus gebeten.
In der großen Empfangshalle, die mit weißem Marmor ausgelegt war und sehr kalt wirkte, blieb van Dyck stehen. »Haben Sie alles geschafft?« fragte er.
»Jawohl.« Der Juwelier lächelte und schob seine Goldrandbrille ein wenig höher. »Es war eine sehr ungewöhnliche Aufgabe, die Sie mir da gestellt haben, wenn ich das einmal anmerken darf.«
Van Dyck schaute ihn scharf an. »Sie dürfen nicht. Dafür werden Sie hervorragend bezahlt.«
»Entschuldigen Sie, Sir.«
»Kommen Sie zur Sache.«
»Natürlich, Sir, sofort.« Der Juwelier kochte innerlich vor Zorn. Er war ein angesehener Mann in Kapstadt und kam sich bei diesem Milliardär vor wie ein kleiner Schuljunge, so mußte er sich abkanzeln lassen. Aber van Dyck hatte Einfluß. Wenn er nicht mitspielte, lief in Kapstadt so gut wie nichts. Deshalb ballten zahlreiche Menschen die Hände in den Taschen und warteten ab. Irgendwann würde auch van Dyck mal abtreten, und ein Nachfolger war nicht in Sicht.
Einmal waren Bomben gegen seinen Wagen geworfen worden. Die Panzerung hatte gehalten, und das Haus auf dem Hügel war angelegt wie eine uneinnehmbare Festung.
Der Juwelier hatte den breiten Alukoffer abgestellt. Jetzt drehte er den Koffer um und klappte den Deckel auf.
Wie eine Säule stand van Dyck neben ihm. Er hielt den Kopf gesenkt.
Seine Augen brannten. Der Blick versuchte, den Inhalt des Koffers zu erforschen.
Der Koffer enthielt nur einen Gegenstand.
Die Schädelkette!
Ja, das war sie. Schonjetzt erkannte der Milliardär, daß der Mann gute Arbeit geleistet hatte.
Der Juwelier wollte in die Alu-Tasche greifen und die Kette hervorholen, doch er zuckte zusammen, als er die Stimme seines Auftraggebers hörte.
»Lassen Sie das!«
Hastig erhob sich der Juwelier. Er hatte einen roten Kopf bekommen, nicht nur vom langen Bücken, sondern auch vor Ärger und Wut, denn die Behandlung dieses Mannes war wirklich kaum mehr zu ertragen. Er trat zur Seite, damit van Dyck nicht noch einen Grund hatte, sich zu beschweren, und schaute zu, wie der Milliardär die Kette aus dem Koffer nahm.
Seine Augen hatten dabei einen seltsamen Glanz angenommen. Ein inneres Fieber schien ihn erfaßt zu haben, als er die wohl seltsamste Kette der Welt zwischen seinen Fingern hielt. Sie war ein Prachtstück.
Die Totenschädel, die bleich und bleiern schimmerten, waren durch eine glänzende Kette miteinander verbunden worden. Der Juwelier hatte in die Schädel kleine Löcher gebohrt, ohne die Totenköpfe allerdings weiter zu beschädigen. Die Kette paßte genau durch die Löcher, und sie hielt auch die einzelnen Schädel zusammen. Um sie um den Hals zu hängen, war die Kette zu groß und wuchtig, aber das wollte van Dyck auch nicht.
Er sah sie einzig und allein als sein Eigentum an.
Er hatte mit
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